Kt. Iv. SG. Keine Verjährungsfristen für Schwerstverbrecher
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Ganz grundsätzlich sind die DJS der Ansicht, dass ein zeitlich unbegrenztes Recht des Staates auf Strafverfolgung zur Durchsetzung des Strafanspruchs aus einer menschenrechtlichen Perspektive problematisch ist. Ein Recht auf Verjährung ergibt sich insbesondere aus folgenden Menschenrechten[1]: Aus dem Legalitätsprinzip nach Art. 7 Abs. 1 EMRK ergibt sich, dass die Strafbarkeit eines normabweichenden Verhaltens im Recht hinreichend klar zu umschreiben ist. Diese im Recht festzulegenden Strafbarkeit eines bestimmten Verhaltens umfasst auch die Regelung einer zeitlichen Komponente der Verfolgbarkeit (Verjährung). Aus Art. 6 Abs. 1 EMRK begründet der Beschleunigungsgrundsatz sowie der allgemeine Grundsatz einer gebotenen Fairness im Verfahren ein Recht auf Verjährung. Das Gebot der Beschleunigung des Verfahrens soll bewirken, dass der Staat seinen Strafanspruch nur in dafür angemessener Zeit durchsetzen kann. Die infolge Zeitablaufs verbundenen Beweisschwierigkeiten und die aufgrund dessen nicht mehr garantierte Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze bei der Aufklärung der Tat führen zu einem subjektiven Recht der beschuldigten Person, diesfalls nicht mehr verfolgt zu werden.
Die DJS befürchten weiter, dass die Erweiterung des Katalogs der unverjährbaren Straftaten auf den Mord dazu führt, dass die Unverjährbarkeit schrittweise auch für andere Straftaten eingeführt werden würde, was aus einer menschenrechtlichen Perspektive nicht akzeptabel ist. Zudem ist zu befürchten, dass die Aufnahme des Mords in den Katalog der unverjährbaren Straftaten dazu führen würde, dass Tötungsdelikte nach Ablauf der ordentlichen Verjährungsfrist (unrechtmässig) als Mord denn als vorsätzliche Tötung (oder gar Totschlag) behandelt werden.
Das Argument für die Einführung der Unverjährbarkeit für Mord, dass auch nach langer Zeit in der Bevölkerung und unter den Angehörigen der Opfer noch ein Bedürfnis besteht nach Aufklärung von schlimmen Straftaten, überzeugt nicht. Die staatliche Verfolgung einer Tat ohne die Anerkennung einer Verjährung der Verfolgung ist ab einem gewissen Zeitpunkt lediglich noch auf Vergeltung ausgerichtet; Aspekte der Prävention, der zunehmenden Beweisschwierigkeiten und der Abschreckung lassen sich mit zunehmendem Zeitablauf nur noch unzureichend berücksichtigen.[2] Die Ansicht, dass Strafrecht reine Vergeltungszwecke anzustreben hat, ist heute aber überholt. Staatliche Eingriffe in die Freiheit der Einzelnen müssen immer auch auf soziale Zwecke ausgerichtet sein und daran gemessen werden, was sie für den Bestand der Ordnung leisten.[3] Der staatliche Strafanspruch kann damit nicht mehr nur durch die Schuld an sich gerechtfertigt werden. Vielmehr muss die Strafe mit dem begründet werden können, was sie bezweckt und bewirkt bzw. bewirken sollte, d.h. mit der Prävention. Die Strafe soll vorbeugen, generell, indem sie Andere von der Begehung strafbarer Taten abschreckt und, speziell, indem sie Straftäter von erneutem deliktischem Verhalten abhält.
Gestützt auf diese Ausführungen lehnen die DJS die vorgeschlagene Änderung des Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes vom 12. Oktober 2023 ab.
[1] Robert Esser, Verjährung der Strafverfolgung – ein Menschenrecht?, in: Gudrun Hochmayr/Walter Gropp (Hrsg.), Die Verjährung als Herausforderung für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Strafsachen, Entwicklung eines Harmonisierungsvorschlags, Schriften zum Internationalen und Europäischen Strafrecht, Band 54, Baden-Baden 2021, S. 37 ff.
[2] EGMR (GK), Urteil vom 17.9.2014, Mocanu u.a. v. Rumänien, Nr. 10865/09, abweichende Meinung der Richter Pinto de Albuquerque und Vučinić, Z. 3.
[3] Marcel Niggli / Stefan Maeder, Was schützt eigentlich Strafrecht (und schützt es überhaupt etwas)? in: AJP 2011, S. 443 ff., S. 445.Str