Aktuell

Unser djb-Mitglied Rechtsanwältin Julia Roder hat im Januar 2022 ein Revisionsurteil vor der Obergericht des Kantons Bern gewonnen, das mutmasslich Reflexwirkung auf viele Urteile und Menschen hat.

Am 7. April 2018 fand in Bern eine Demonstration für die syrische Stadt Afrin statt (Afrin-Demo). Fast 200 Teilnehmende erhielten anschliessend einen Strafbefehl wegen Landfriedensbruch. In einigen weitergezogenen Fällen kam es zu erstinstanzlichen Verurteilungen.

Nun besagt eben das neue, rechtskräftige Urteil des Obergerichts des Kantons Bern vom 21. Januar 2022, dass für (praktisch alle) Teilnehmenden der Afrin-Demo vom 7. April 2018 ein Freispruch in Revision und die Rückerstattung der Verfahrenskosten sowie der bezahlten Strafen (Geldstrafen/Bussen) erwirkt werden könnte. Als Beilage senden wir euch das entsprechende Urteil. Am 9. März 2022 kam es erneut zu Freisprüchen des Regionalgerichts Bern-Mittelland bezüglich Afrin-Demo im Rahmen des Kill-Erdogan-Prozesses.

Die Frist für ein Revisionsgesuch beträgt lediglich 90 Tage nach Kenntnisnahme eines positiven Urteils. Sofern ihr Personen kennt, die an der Afrin-Demo dabei waren (und verurteilt wurden), sollte durch diese rasch ein Revisionsgesuch eingereicht werden. Unten findet ihr ein Muster-Revisionsgesuch zum Abändern oder Einreichen. Sofern anwaltliche Bemühungen vorhanden waren, müsste für diese auch die Rückerstattung verlangt werden.

Natürlich ist die Revision nur geeignet für Menschen, die nicht aktiv gewaltsame Handlungen vornahmen oder denen direkte Kenntnis von solchen Handlungen am «Landfriedensbruch» nachgewiesen werden konnten.

Unser Vorstandsmitglied Rechtsanwalt Dominic Nellen koordiniert die entsprechenden Revisionsbemühungen und steht für Auskünfte zur Verfügung (031 300 40 40 / Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!).

Am Sonntag, 27. März 2022, um 15.00 Uhr findet im Dachstock der Reitschule Bern eine Infoveranstaltung statt, bei der Rechtsanwalt Dominic Nellen über die Rechtslage und das individuelle Vorgehen orientiert.

Das entsprechende Urteil findest du hier (pdf).

Das Muster-Revisionsgesuch findest du hier (docx).

11. Februar 2022

Der kantonale Sicherheitsdirektor, Regierungsrat Philippe Müller, legt in seiner Reaktion auf den Bericht der Nationalen Kommission zur Verhütung der Folter (NKVF) über die Berner «Rückkehrzentren» ein höchst fragwürdiges Rechtsstaatsverständnis an den Tag und wirft der NKVF zu Unrecht vor, eine politische Bewertung vorgenommen zu haben.

Zunächst verkennt der Sicherheitsdirektor, dass menschenrechtliche Ansprüche unabhängig davon bestehen, ob eine Person in der Schweiz rechtmässig anwesend ist. Die Menschenrechte schränken mithin den Staat ein, Menschen für ihre blosse Anwesenheit zu sanktionieren. Die Nothilfe soll Menschen schützen; sie als Druckmittel zu verwenden widerspricht ihrem Sinn und Zweck. Diesen rechtlichen Schranken und Vorgaben muss sich auch die Berner Sicherheitsdirektion fügen.

Der Verweis auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die den Kanton angeblich zu einem harschen Nothilferegime verpflichteten, vermag deshalb die Kritik der NKVF nicht zu entkräften. Vielmehr sind die Behörden gehalten, einen menschenrechtskonformen Weg innerhalb dieses Rahmens zu suchen und den Handlungsspielraum im Interesse der Betroffenen zu nutzen. Dass ein solcher besteht, wird denn auch seitens Sicherheitsdirektion selbst eingeräumt.

Die Unterbringung von Nothilfebeziehenden liegt in der Verantwortung des Kantons. Von dieser Verantwortung kann sich die Sicherheitsdirektion weder durch Vorwürfe an die Gemeinden noch durch Berufung auf einen angeblichen politischen Konsens entledigen.

Mit seiner Argumentation bezieht sich der Sicherheitsdirektor offensichtlich selbst nicht auf die rechtlichen Rahmenbedingungen. Unter Verweis auf politische Umstände wird von grund- und menschenrechtlichen Verpflichtungen abgelenkt.

Schliesslich wird den von Nothilfe betroffenen Menschen die Fähigkeit abgesprochen, ihre eigene Situation und insbesondere die Gefährdungslage im Herkunftsland adäquat einzuschätzen und dementsprechend selbst zu handeln. Das zeigt sich auch an der Instrumentalisierungskritik des Sicherheitsdirektors gegenüber zivilgesellschaftlichen Akteur*innen, die sich mit den Betroffenen für eine Verbesserung ihrer Lebensumstände einsetzen. Mit dem Absprechen von selbstständigem Beurteilen und Handeln werden rassistische Stereotype bedient.

Die Demokratischen Juristinnen und Juristen Bern fordern die zuständigen Behörden auf, die Empfehlungen der NKVF mit der angezeigten Dringlichkeit und Ernsthaftigkeit umzusetzen. Die faktische Unmöglichkeit einer Rückkehr – wie sie beispielsweise bei Afghan*innen augenfällig ist – ist anzuerkennen. Eine menschenrechtskonforme Unterbringung ist dringend zu gewährleisten und Zukunftsperspektiven sind zu schaffen.


djb Einladung Kinovorstellung Stürm


Bern, 3. September 2021

Die Demokratischen Juristinnen und Juristen Bern und die weiteren Beschwerdeführenden* sind zufrieden mit dem Entscheid des Bundesgerichts vom 3. September 2021. Das Bundesgericht hat das im Kanton Bern vom 4. Novemver 2020 bis zum 19. April 2021 geltende faktische Kundgebungsverbot als verfassungswidrig beurteilt. Das Kundgebungsverbot verletzt das Grundrecht der Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit und den seit 1874 geltenden bundesstaatlichen Grundsatz des «Vorranges des Bundesrechts».

Aus Sicht der Beschwerdeführenden – denen die Mehrheit der Bundesrichter:innen mit 4:1 gefolgt ist – hat der Regierungsrat des Kantons Bern seine Kompetenz überschritten, indem er die Anzahl Teilnehmenden an Kundgebungen auf 15 Personen begrenzt hat. Die Bundesrichter:innen sprachen widerholt von einem «faktischen Kundgebungsverbot».

Auch wenn das Kundgebungsverbot zum Zeitpunkt des Urteils nicht mehr in Kraft war, hat es dennoch als grundrechtlicher Grundsatzentscheid für die Zukunft eine wichtige Bedeutung. Es zeigt klar auf, dass die Grundrechte und rechtstaatlichen Grundsätze auch in ausserordentlichen Zeiten gelten und deren Einschränkungen nur im klar definierten, gesetzlichen Rahmen zuslässig sind.

*Folgende Parteien und Organisationen treten als Beschwerdeführende auf: Demokratische Juristinnen und Juristen Bern, Alternative Linke Bern, Grün alternative Partei GaP, Gründes Bündnis Bern, Grüne Kanton Bern, Junge Grüne Kanton Bern, Juso Kanton Bern, Partei der Arbeit Bern, grundrechte.ch, GSoA


Bern, 1. Juni 2021

Die Demokratischen Juristinnen und Juristen Bern (djb) stellten am vergangenen Samstag mit Enttäuschung fest, dass die bewilligte Kundgebung #stopsuizidsonneblick trotz Zusage für den Waisenhausplatz, mangels Platz aufgrund der Gastbetriebe, vor den Meret-Oppenheim-Brunnen ausweichen musste.

Am Samstag hätte die bewilligte Kundgebung #stopsuizidsonneblick auf dem Waisenhausplatz stattfinden sollen. Die djb waren mit einem Legal-Team vor Ort. Die Kundgebung konnte jedoch nicht wie bewilligt und geplant stattfinden; die Gastbetriebe am Waisenhausplatz wurden vorgängig nicht über die anstehende Kundgebung informiert und hatten somit den Waisenhausplatz nicht räumen können. Die Teilnehmenden mussten also auf die deutlich kleiner Fläche um den Meret-Oppenheim-Brunnen ausweichen. Die djb verurteilen die Fehlkommunikation der Stadt Bern. Das Recht auf Versammlungsfreiheit ist insbesondere während der anhaltenden Corona-Pandemie ein wichtiges politisches Recht, das geschützt werden müsste. Damit Demonstrationen jedoch sicher ablaufen können, ist Planungssicherheit wichtig. Mit ihrem Fehler hat die Stadt Bern sowohl den reibungslosen, als auch den sicheren Ablauf der Demonstration gefährdet. Zudem scheint es irritierend, dass ausgerechnet bei Menschen aus Asylunterkünften und ohne sicheren Aufenthaltstatus in der Schweiz, ein solcher Fehler geschehen konnte. Die politischen Rechte dieser Personen sind für sie schwieriger auszuüben und deshalb umso schützenswerter. Es wäre daher angebracht gewesen, diese Personen in der Ausübung ihrer Rechte auf Versammlungs-, Meinungs- und Informationsfreiheit zu unterstützen und dafür die Kundgebung so stattzufinden lassen, wie sie bewilligt und organisiert war.