Klar ist, dass mit dieser Revision 6a und 6b die IV nachhaltig saniert werden soll. Es sollen 12'500 gewichtete Renten abgebaut werden. Dafür stehen der IV auch Fr. 250 Mio. für die verstärkte Eingliederung zur Verfügung.

Neben erweiterten Eingliederungsmassnahmen und dem neu eingeführten Arbeitsversuch sollen insbesondere auch die eingliederungsorientierte Revision laufender Renten und die Aufhebung der vor 2008 zugesprochenen Renten bei unklaren Beschwerdebildern zum gewünschten Ziel führen. Bei genauerem Hinschauen stellen sich aber gewichtige Fragen für die Umsetzung in die Praxis.

Laut Art. 18a IVG ensteht bei einem Arbeitsversuch beispielsweise kein Arbeitsverhältnis nach OR. Das OR wird lediglich sinngemäss angewandt,  nicht aber bei der Lohnfortzahlung bei Arbeitsausfall oder beim Kündigungsschutz. Auch die Unterstellung unter einen GAV sowie die Überprüfung des Arbeitsplatzes ist nicht klar durchdacht und was passiert bei einem vorzeitigen Abbruch des Versuchs?

Bei der Rentenrevision bei unklaren Beschwerdebildern stellen sich Fragen zur Definition des juristisch relevanten Gesundheitsbegriffs, zu den Überprüfungskriterien und zu der fehlenden Berücksichtigung der üblichen Revisionsvoraussetzungen (Art. 17 ATSG). Die Gefahr einer Signalwirkung für weitere nicht in allen Einzelheiten durchdachten Abbauschritte ist da.

Ein zentraler Punkt der Revision ist die eingliederungsorientierte Rentenrevision. Damit soll das Eingliederungspotential bestehender RentenbezügerInnen vertieft abgeklärt und ausgeschöpft werden, mit dem Ziel die Rente dank erfolgreicher Wiedereingliederung aufheben oder reduzieren zu können. Ein individualisierter Eingliederungsplan soll erstellt werden und die Rente wird während des gesamten Eingliederungsprozesses weiter ausgerichtet. Im Falle eines Scheiterns während drei Jahren nach Aufhebung/Reduktion der Rente soll eine Übergangsleistung ausgerichtet werden. Wie wird aber ein IV-Verfahren abgeschlossen? Wie ist mit dem juristischen Schwebezustand während der drei Jahren nach der Revision umzugehen?

Diese Fragen griff Moderatorin Natalie Matiaska, Fachanwältin SAV Haftpflicht- und Sozialversicherungsrecht, im Anschluss  an das Referat auf und stellte sie den PodiumsteilnehmerInnen Rolf Schürmann,  Leiter der IV Stelle Basel-Stadt und Eva Meuli, Präsidentin der Abteilung Sozialversicherungsgericht des Kantonsgerichts Basel-Landschaft.

Nach Rolf Schürmann soll die eingliederungsorientierte Rentenrevision in einem ersten Schritt vor allem bei Jüngeren Rentenbezügern zum Zug kommen. Beim Auftreten einer erneuten Arbeitsunfähigkeit währen den drei Jahren nach erfolgreicher Wiedereingliederung will die IV bei der Prüfung der Frage, ob die Rente wiederauflebt kulant sein, um die Motivation zur Integration aufrecht zu erhalten. Der Entscheid über offene Rentenfragen bei einem Abbruch des Versuchs wird gemäss Eva Meuli letztendlich wohl von einem Gericht gefällt werden müssen. Dass kein Arbeitsverhältnis gemäss OR entsteht, könnte noch viele juristische Diskussionen um Gleichberechtigung und allenfalls Willkür nach sich ziehen.

Was das Thema rund um den Rentenabbau bei den sog. pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildern ohne nachweisbare organische Grundlagen (unklare Beschwerdebilder) betrifft, ist sich Rolf Schürmann gemeinsam mit Philipp Macherel (Leiter RAD im Publikum) einig, dass solche Beschwerdebilder  äusserst selten in reiner Form auftreten und die Zahl der Betroffenen demzufolge gering sein wird. Für die Einzelfälle wird dieser Abbau aber eine grosse Härte bedeuten.

Als komplexe Problemstellung erwies sich die Frage nach dem Vorgehen der RechtsvertreterInnen im Fall einer Reduktion oder Aufhebung der Rente bei unklaren Beschwerdebildern. Laut Kreisschreiben des BSV sollen drei Verfügungen gleichzeitig erlassen werden (Aufhebung/Herabsetzung der Rente, Mitteilung über die Massnahme zur Wiedereingliederung, Verfügung über das befristete Weiterlaufen der Rente). Welche der drei von der IV veranlassten Verfügungen sollen mit welcher Begründung angefochten werden? Welche Auswirkungen wird die Anfechtung der rentenaufhebenden Verfügung auf den geplanten Eingliederungsprozess haben? Rolf Schürmann vertrat die Meinung, dass der geplante Wiedereingliederungsprozess nicht daran scheitern dürfe, sofern die Motivation dafür von Seiten des Versicherten nach wie vor gegeben sei. Eva Meuli war der Ansicht, dass in solchen Beschwerdefällen, ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, welcher nach bisheriger Praxis in der Regel erfolglos war, vertieft zu prüfen wäre. Falls eine Wiederherstellung nicht möglich sein sollte, müsste die Einstellung überprüft und geklärt werden, was mit der Zweijahresfrist passiert.

Eine Erklärung für diese vielen offenen Fragen könnte sein, dass der Gesetzgeber der Praxis und deren Pilotprojekten hinterher hinkt. Das Gesetz vollzieht nach was bei einzelnen IV-Stellen schon Realität ist. Auf jeden Fall werden die IV Stelle Basel-Stadt, die RechtsvertreterInnen, die Gerichte und vor allem die Betroffenen vor eine grosse Aufgabe gestellt. Die Revision muss so in die Praxis umgesetzt werden, dass es für die Betroffenen zu einer Steigerung der Lebensqualität und nicht zu noch mehr Hindernissen führt.

Für den Bericht
Barbara Csontos und Natalie Matiaska