Zum ersten Themengebiet zeigte Christoph Häfeli (Prof. lic. iur., dipl. Sozialarbeiter, Kindes- und Erwachsenenschutzexperte) in einem aufschlussreichen Inputreferat die - aus seiner Sicht äusserst weitgehenden - Spielräume der Kantone bei der Umsetzung der bundesrechtlichen Vorgaben an die Organisation der neuen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde auf. Zu seinem Bedauern hielt er fest, dass weder das von der Expertengruppe beabsichtigte Fachgericht im politischen Prozess Zustimmung fand noch ein ursprünglich geplantes eigenes Verfahrensrecht. Die KOKES (Konferenz der Kantone für Kindes- -und Erwachsenenschutz, früher VBK, www.kokes.ch) verfasste deshalb zuhanden der Kantone im Sinne einer „Konkretisierung ohne normative Verbindlichkeit“ umfangreiche Empfehlungen, welche auf breite Akzeptanz bei den Kantonen stiessen. Tendenziell sei nach Einschätzung von Christoph Häfeli zu beobachten, dass die neue Behörde in der Deutschschweiz weiterhin als Verwaltungsbehörde ausgestaltet werde, in der Westschweiz weiterhin als Gericht. Die mit der Revision primär angestrebte Professionalisierung scheine zu gelingen, wenn auch kantonal unterschiedlich stark.
Im anschliessenden pointierten Inputreferat zum zweiten Themengebiet wies Jonas Schweighauser, Dr. iur., Advokat und Lehrbeauftragter an der Uni Basel, darauf hin, dass Lehre und Praxis zur Kindsvertretung im bisherigen Kindesschutz nicht übereinstimmen. Seiner Ansicht nach sollte dem betroffenen Kind bereits heute bei schwerwiegenden Eingriffen wie bspw. einem Obhutsentzug eine unabhängige Rechtsvertretung gestützt auf Art. 392 Ziff. 2 ZGB zur Seite gestellt werden, was praktisch jedoch nie geschehe. Erfreulich sei zwar, dass nun mit dem neuen Artikel 314 abis ZGB explizit eine Rechtsgrundlage für eine Kindsvertretung im Kindsschutz eingeführt werde. Aufgrund des grossen Ermessensspielraums bei der Frage, ob eine solche Kindsvertretung einzusetzen ist oder nicht, befürchtet er allerdings, dass auch diese Bestimmung wie im Scheidungsrecht weitgehend toter Buchstabe bleiben werde.
Die daraufhin von Erika Arnold, Dr. Phil. I, Leiterin VB BS und Projektleiterin, vorgestellte geplante neue Kindes- und Erwachsenenschutzorganisation im Kanton Basel-Stadt wurde von den Podiumsteilnehmern und vom Publikum kritisch hinterfragt, insbesondere was die Ausgestaltung der neuen Behörde als Verwaltungsbehörde betrifft sowie die unklare Vermischung von Abklärungs- und Entscheidkompetenzen der neuen Behörde.
Nach Ansicht von Christoph Bürgin, Dr. iur., Präsident des Vormundschafts-, Jugend- und Fürsorgerats Basel-Stadt, sollte die Unabhängigkeit der neuen Behörde unbedingt gewährleistet sein. Seiner Erfahrung nach sind gerade Obhutsentzüge äusserst zeitaufwändig, sollen sie nicht zum vornherein zum Scheitern verurteilt sein. Er räumte weiter ein, dass bisher tatsächlich nur wenig Kindsvertretungen eingesetzt wurden, was auch damit zusammenhänge, dass zu wenig bekannt sei, wer überhaupt solche Kindsvertretungen führe.
Auch Stefan Blülle, Leiter der Abteilung Kindes- und Jugendschutz Basel-Stadt, bestätigte, dass die Haltung des AKJS zur Frage einer Kindsvertretung bisher ebenfalls eher zurückhaltend gehandhabt wurde, da kein eigentliches kontradiktorisches Verfahren geführt werde. Allerdings sei das AKJS in dieser Frage mittlerweile sensibilisiert und es bestehe durchaus eine gewisse Öffnung gegenüber diesem neuen Institut. Er stellte in Aussicht, dass bei der weiteren Planung der Umsetzung des neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrechts dieser Aspekt vermehrt berücksichtigt werde.
Die anschliessende rege Diskussion mit dem Publikum zeigte deutlich, dass ein grosses, fachlich breites Interesse an der von der DJS aufgeworfenen Thematik besteht und dass insbesondere die geplante Umsetzung der neuen Behördenstruktur nicht auf allgemeine Akzeptanz stiess. Hier sind wohl noch weitere kritische Auseinandersetzungen notwendig. Bezüglich der fehlenden Verbindlichkeit bei der Frage der Notwendigkeit einer eigenständigen Kindsvertretung könnten – zumindest nach einer ersten Grobeinschätzung der anwesenden Fachpersonen – weitergehende kantonale Ausführungsbestimmungen Abhilfe schaffen.