Vernehmlassung zum Beitritt zum Konkordat über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen sowie zum Entwurf einer Änderung des Dekrets zum Bundes-gesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (Dekret BWIS)

Die DJS Basel lassen sich zu den beiden obgenannten Vorlagen wie folgt vernehmen:

Zum Konkordat über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen

I.    Allgemeines
Die DJS ist wie bereits im Vernehmlassungsverfahren zur Ergänzung des Bundesgesetztes zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) grundsätzlich der Ansicht, dass die vorliegende Regelung sowohl in Bezug auf verfassungsmässige Fragen als auch in Bezug auf ihre sozialpolitische Ausrichtung bedenklich sind. Die DJS wendet sich entschieden gegen einen Beitritt zu dem hier diskutierten Konkordat. Die gerade erst zu Ende gegangen Euro 08 hält einem deutlich vor Augen, dass die in diesem Zusammenhang zeitlich begrenzt geschaffenen Massnahmen zur Gewalteindämmung anlässlich von Sportveranstaltungen, welche nunmehr weitestgehend identisch in das hier besprochene Konkordat überführt werden sollen, selbst zur Bewältigung dieses sportlichen Grossanlasses nicht notwendig gewesen wären. Es bleibt grundsätzlich bedenklich, dass mit den hier weiterhin vorgesehenen Massnahmen teilweise einzig beim Vorliegen eines bestimmten Verdachtes, welcher nur aufgrund der Angaben gewisser Personen bestehen muss, die persönliche Freiheit einer betroffenen Person unverhältnismässig eingeschränkt werden kann.

II.    Besonderes

1.    Kompetenzbereich
Wie bereits im Zusammenhang mit den beinahe gleichlautenden Bestimmungen der Ergänzung des BWIS diskutiert, stellt sich auch vorliegend zunächst die Frage, ob die Kantone im vorliegenden Rechtssetzungsbereich über eine Gesetzgebungskompetenz verfügen und wie weit eine entsprechende Kompetenz reicht.
Grundsätzlich wird – anders als bei den Ergänzungen des BWIS dem Bund – den Kantonen seitens der DJS die Gesetzgebungskompetenz in polizeilichen Belangen nicht abgesprochen. Problematisch wir diese Kompetenzausübung aber dann, wenn nebst polizeilichen Massnahmen, auch neue (Neben-) Strafen wie das Rayonverbot geschaffen werden. Die Schaffung neuer Strafformen ist eindeutig dem Bund überlassen, so dass die geplante Weiterführung der Verhängung eines Rayonverbotes im Rahmen eines Konkordates als Verstoss gegen die derogatorische Kraft des Bundesrechts und somit als verfassungswidrig bezeichnet werden muss. Allein deshalb kann das Rayonverbot so nicht geregelt werden.
Die weiter vorgesehenen Massnahmen sind rein präventiver und somit sicherheitspolizeilicher Natur. Die Kantone sind gemäss Art. 57 BV dazu befugt, im Rahmen ihrer Zuständigkeit für die Sicherheit des Landes und für den Schutz der Bevölkerung zu sorgen. Grundsätzlich ist damit eine rein reaktive, repressive Polizeitätigkeit gemeint. Präventive Polizeitätigkeit gehört hingegen in den Bereich des Verfassungsschutzes, für dessen Regelung der Bund gemäss Art. 52 BV eine abschliessende Kompetenz hat. Für die Kantone bleibt somit kein eigentlicher Kompetenzbereich zur Regelung der im Konkordat vorgesehenen Massnahmen, so dass aus diesem Grund seitens der DJS der Beitritt des Kantons Basel-Landschaft zum hier besprochenen Konkordat abgelehnt wird.

2.    Definition gewalttätigen Verhaltens
Hier gelten ebenso die obengenannten allgemeinen Vorbehalte. Gewalttätiges Verhalten im Sinne einer polizeilich relevanten Tat wird abschliessend durch das schweizerische Strafgesetzbuch (StGB) geregelt und definiert. Auch obliegt es dem Bund und nicht den Kantonen, verbindliche Bestimmungen über den Erwerb und Gebrauch von Schusswaffen und anderen vergleichbaren gefährlichen Gegenständen zu regeln, was er mit dem schweizerischen Waffengesetz auch getan hat. Die hier in Art. 2 des Konkordates vorgesehene Definition gewalttätigen Verhaltens ist somit zunächst mit Bundesrecht nicht vereinbar.

3.    Beweiserleichterungen
Der Nachweis gewalttätigen Verhaltens, wie dies Art. 3 des Konkordates als Titel suggeriert, muss gemäss der konkreten Regelung im Konkordat gar nicht mehr erbracht werden. Es genügt nicht nur, dass Mitarbeiter der Polizei oder des Sicherheitspersonals glaubwürdige – was eigentlich eine Selbstverständlichkeit darstellt, weil auf unglaubwürdige Angaben nie abgestellt werden kann – Aussagen machen, sondern auch die Verhängung eines Stadionverbotes soll dem Nachweis gewalttätigen Verhaltens gleichkommen. Somit erhielten Private ein Definitionsmonopol betreffend gewalttätigen Verhaltens (Stadionverbot = Gewalttäter), das durch nichts und niemanden mehr überprüft werden könnte. Die hier vorgesehene Beweiserleichterung kann mit rechtstaatlichen Prinzipien nicht mehr in Einklang gebracht werden und ist deswegen eindeutig verfassungswidrig.

4.    Polizeiliche Massnahmen
Für die Institutionalisierung eines Rayonverbotes auf Konkordatsebene fehlt es den Kantonen an der notwendigen Gesetzgebungskompetenz. Das Rayonverbot stellt eine eigenständige und neue Sanktionsform dar, welche nur durch den Bund aufgestellt werden kann.
Die Meldeauflage und der Polizeigewahrsam sind rein präventiv ausgerichtete, polizeiliche Massnahmen. Dies läuft auf die Verhängung einer Verdachtsstrafe hinaus, was insbesondere bei der Verhängung von Polizeigewahrsam als stossend zu bezeichnen ist. Die derart angeordnete Präventivhaft ist auch nicht mit den Bestimmungen der EMRK in Einklang zu bringen, wonach für die Verhängung einer solchen zumindest und immer der Verdacht auf die Begehung einer konkreten Straftat bestehen muss. Gemäss den im Konkordat vorgesehenen Regelungen, wäre dies nicht der Fall, weshalb diese Bestimmungen nicht nur als verfassungswidrig sind, sondern auch gegen die EMRK verstossen.

5.    Behördliche Empfehlung
Als absolutes Novum muss diese Bestimmung gemäss Art. 10 des Konkordates bezeichnet werden. Aus datenschutzrechtlichen Gründen ist eine derartige Bestimmung nicht tolerier-bar. Hier sollen heikle personenbezogene Daten, welche ansonsten nur in einem gegen eine entsprechende Person geführten Strafverfahren erscheinen, an unbeteiligte Privatpersonen weitergegeben werden. Damit wird aber ein weiteres Mal deutlich, dass die hier vorgesehenen Bestimmungen einzig dem Interesse der Stadionbetreiber dienen. Diese Bestimmungen ebnen überdies den Weg zur 'private community', an welcher unliebsame Personen im Sinne einer Zwei-(oder Mehr-) Klassengesellschaft nicht teilhaben können sollen. Am schwersten wiegt aber, dass die entsprechende Empfehlung nicht transparent und für die betroffene Person alles andere als nachvollziehbar erfolgt.

III.    Fazit
Das hier zur Diskussion gestellte Konkordate will nicht nur die im BWIS zeitlich beschränkt geregelten Massnahmen wortwörtlich übernehmen, wogegen es bereits genügend Vorbehalte gibt, sondern sieht darüber hinaus weitergehende Weiterungen vor, welche unter rechtstaatlichen Gesichtspunkten bedenklich sind. Das Konkordat wird deshalb seitens der DJS Basel abgelehnt, und es wird dem Kanton Basel-Landschaft empfohlen, dem entsprechenden Konkordat nicht beizutreten

Zum Dekret BWIS
Aufgrund eines Entscheides des Kantonsgerichts war der Regierungsrat gehalten, dass Dekret BWIS neu zu regeln, da die im Bundesgesetz vorgesehene richterliche Kompetenz bei der Überprüfung der Anordnung von Polizeigewahrsam nicht den Statthalterämtern zugewiesen werden konnte. Dass diese richterliche Kompetenz dem Präsidium des Kantonsgerichts Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht zukommen soll, ist verfassungsmässig zwar nicht zu bemängeln, aber aufgrund der Nähe der hier zu beurteilenden Fragen zum Strafrecht nicht optimal. Aufgrund der derzeit noch vorhandenen Strukturen wäre es sinnvoller, diese Kompetenz der Haftrichterbehörde und somit dem Verfahrensgericht in Strafsachen zukommen zu lassen.