Bundesgericht bestätigt: Unzulässiger Eingriff in die Meinungs- und Versammlungsfreiheit durch Bündner Behörden: Die WEF-Winderwanderung hätte auf der Kantonsstrasse bewilligt werden müssen
Das Bundesgericht hat mit Urteil vom 08. Oktober 2024 (1C_28/2024) die Beschwerde des Organisators der Marschkundgebung während des WEF 2023 gutgeheissen und anerkannte die Verschiebung der Route von der Kantonsstrasse auf Nebenstrassen und Wanderwege als unverhältnismässigen Eingriff in die Versammlungs- und Meinungsfreiheit. Die Demokratischen Jurist*innen Schweiz (DJS) begrüssen diesen Entscheid und sehen in ihm eine unmissverständliche Stärkung des verfassungsmässigen Rechts auf politischen Kundgebungen und Demonstrationen.
Folgende Erwägungen sind aus unserer Sicht mit Blick auf die Bedeutung der Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit besonders hervorzuheben.
- In Erwägung 3.2 wird korrekterweise die Bedeutung von politischen Kundgebungen für eine Demokratie betont, insbesondere auch im Verhältnis zu anderen Versammlungen im öffentlichen Raum. So “zeichnen sich Kundgebungen bzw. Demonstrationen gegenüber anderen Versammlungen insbesondere durch ihre spezifische Appellfunktion aus, d.h. durch das Ziel, die Öffentlichkeit auf ein Anliegen der Teilnehmenden aufmerksam zu machen […]», wobei «[d]ie Besonderheit politischer Kundgebungen unter anderem darin besteht, dass sie zur demokratischen Meinungsbildung beitragen, indem auch Anliegen und Auffassungen in der Öffentlichkeit zum Ausdruck gebracht werden können, die innerhalb der bestehenden demokratischen Verfahren oder Einrichtungen weniger zum Ausdruck kommen.» Durch diese Erwägung bestätigt das höchste Schweizer Gericht, dass Demonstrationen und Kundgebungen einen sehr hohen Schutz durch die Verfassung geniessen.
- Zutreffend und für die DJS überzeugend ist überdies die Feststellung des Bundesgerichts in Erwägung 7.3.6., dass “[s]o oder anders, das potenzielle Fehlverhalten einzelner Kundgebungsteilnehmenden in der Vergangenheit nicht dazu führen darf, dass die Meinungs- und die Versammlungsfreiheit der friedlich und unter Einhaltung der behördlichen Anordnungen Demonstrieren präventiv eingeschränkt werden”. Gerade im Hinblick auf kommende Bewilligungen von Kundgebungen ist diese Feststellung zentral, zumal in Vergangenheit vermehrt politische Kundgebungen mit Verweis auf das mögliche Gewaltpotenzial einzelner Teilnehmer*innen unterbunden wurden (vgl. Beispielsweise 1. Mai 2023 in Basel).
- Auch stellt das Bundesgericht unserer Meinung nach in Erwägung 7.3.4. zutreffend fest, dass der Entscheid des Tiefbauamts Graubünden, die Kantonsstrasse, beziehungsweise eine Fahrspur der Kantonsstrasse 2023 nicht wie 2020 für die Demonstration freizugeben, ohne Not erfolgte und die Gründe für diesen Entscheid nicht hinreichend belegt wurden. Das Bundesgericht stellt deutlich klar, dass dem öffentlichen und privaten Verkehr keinen Vorrang gegenüber Demonstrationen zukommt (E. 7.3.8). Dem Kanton wären diverse verkehrstechnische Sicherheitsmassnahmen offengestanden, um die Demonstration auf der Kantonsstrasse zu ermöglichen (E. 7.3.6).
Die DJS waren bei beiden WEF-Winterwanderungen 2020 und 2023 mit Beobachtungsteams vor Ort.
Die Medienmitteilung als PDF finden Sie hier: MM BGer WEF-Winterwanderung