Die Luzerner Polizei soll zur Verhinderung von Straftaten Trojaner einsetzen dürfen. Damit kämen ihr mehr Kompetenzen als den Staatsanwaltschaften oder dem nationalen Geheimdienst zu.

Das Grundrecht der Privatsphäre ist verfassungsrechtlich garantiert. Jedermann darf selber darüber bestimmen, welche Tatsachen er mit seinen Mitmenschen oder einem ausgewählten Kreis davon kommunizieren möchte. Wenn der Staat unbemerkt mithört und dabei Geheimnisse, wie bspw. Krankheiten oder verpönte, aber legale sexuelle Präferenzen mitbekommt, so handelt es sich um einen schwerwiegenden Grundrechteingriff, der nur im Ausnahmefall zulässig ist.
Derzeit findet auf nationaler Ebene eine Debatte darüber statt, wann ein solcher Grundrechtseingriff zur Verhinderungen von (ausgewählten) Straftaten möglich sein soll:
Mit der kürzlich beschlossenen Revision des BÜPF erhalten Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit, Trojaner einzusetzen, um zur Aufklärung von schwerwiegenden Straftaten die elektronische Kommunikation abzuhören. Da bestimmte Vorbereitungshandlungen, etwa zu Mord oder zu Raub, Straftaten darstellen und zu ihrer Verfolgung eine solche Trojaner-Überwachung angeordnet werden darf, haben die neuen Kompetenzen der Strafverfolgungsbehörden durchaus präventiven Charakter. Einen solchen haben auch die vorgesehenen geheimdienstlichen Überwachungsmassnahmen des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB), über die am 25. September 2016 abgestimmt wurde. Im Nachrichtendienstgesetz (NDG) ist vorgesehen, dass der NDB zur Verhinderung von terroristischen Aktivitäten, verbotenem Nachrichtendienst sowie von Proliferation den Post- und Fernmeldeverkehr abhören oder in Computersysteme eindringen kann.
Angesichts dieser schon weitreichenden Kompetenzen, reibt man sich bei der vorgeschlagenen Neuregelung des Luzerner Polizeigesetzes geradezu die Augen: Gemäss § 15d E-PolG soll die Luzerner Polizei im Vorfeld von Strafverfahren, d.h. ohne Straftatsverdacht, mit einer „speziellen Software“ (sprich: Trojaner) geschlossene Kommunikationsplattformen des Internets überwachen dürfen. Dies bspw. dann, wenn „hinreichende Anzeichen“ bestehen, dass es zu einer „schweren Straftat“ etwa gegen das „Vermögen“ oder die „sexuelle Integrität“ kommen könnte, namentlich bei „Hooliganismus oder anderen Ausschreitungen bei Veranstaltungen“ oder bei „schweren Sachbeschädigungen“.
In den Erläuterungen wird behauptet, die geplanten Überwachungskompetenzen der Luzerner Polizei würden weniger weit gehen, als diejenigen der Staatsanwaltschaft. Dies weil § 15d E-PolG im Vergleich zu Art. 269 StPO weniger Katalogstraftaten aufzähle. Bei näherem Hinsehen entpuppt sich dies als – ziemlich plumper – Etikettenschwindel. Vorbereitungshandlungen zu Sexualstraftaten oder zu Straftaten gegen das Vermögen (inkl. Sachbeschädigung) sind nicht strafbar. Demgegenüber dürfen die Strafverfolgungsbehörden in diesem Bereich keine geheimen Überwachungsmassnahmen vornehmen. Das würde auch für den NDB gelten.
Mit der Revision des Polizeigesetzes sollen der Luzerner Polizei also geheimdienstliche Überwachungskompetenzen eingeräumt werden, die weiter gehen als jene, die im BÜPF oder im NDG vorgesehen wurden. Zu hoffen bleibt, dass die politischen Entscheidungsträger diese unausgewogene, unbestimmte und stark freiheitsbedrohende Gesetzesvorlage nochmals überdenken.

Vorstand der Demokratischen Juristinnen und Juristen Luzern
Text erschienen im plädoyer 5/2016