Vernehmlassungsverfahren: Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (Sanierungsverfahren für natürliche Personen)

Stellungnahme der DJS als PDF

Anwält*innen der DJS begegnen in ihrem Berufsalltag oft Klient*innen, welche hoch verschuldet sind und mit den bestehenden Instrumenten des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts nicht aus der Schuldenspirale herausfinden. Die fehlende Aussicht auf ein schuldenfreies Leben hindert diese Personen bei der sozialen und beruflichen Integration und treibt oder belässt diese mit Fehlanreizen in den Armen der Sozialhilfe. Insbesondere die häufig anzutreffenden, offenen Steuer- und Krankenkassenforderungen werden mit den bestehenden Instrumenten ungenügend berücksichtigt, namentlich da Steuern im betreibungsrechtlichen Existenzminimum nicht aufgenommen werden und Forderungen der Sozialversicherungen gegenüber anderen Forderungen privilegiert sind. Zudem mussten die DJS in den letzten Jahren eine massive Verschärfung der Rechtsprechung gegenüber verschuldeten Personen feststellen, insbesondere indem das Bundesgericht für natürliche Personen, die keine oder fast keine Aktiven zu verteilen haben, den Privatkonkurs gemäss Art. 191 als rechtsmissbräuchlich qualifizierte. Auch erschweren praxisfremde Rechtssprechungstendenzen im Zusammenhang mit der Feststellung neuen Vernmögens (i.Z.m. Art. 265a SchKG) den eigentlichen Zweck des bisherigen Privatkonkurses. Nach Ansicht der DJS ist als Missstand zu bezeichnen, dass die Schweiz im Gegensatz zu den meisten europäischen Ländern und den USA kein Sanierungsverfahren zur Restschuldbefreiung kennt. 

Vor diesem Hintergrund begrüssen die DJS grundsätzlich die Stossrichtung der vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderung des SchKG in Bezug auf die Sanierungsverfahren für natürliche Personen. Die vorgeschlagene Ausgestaltung der SchKG-Änderung enthält jedoch aus Sicht der DJS verschiedene unbestimmte Begriffe und Fehlkonstruktionen, welche an der Wirksamkeit der neuen Sanierungsverfahren Zweifel aufkommen lassen.

Die nachfolgende Stellungnahme beschränkt sich auf eine kurze Darlegung der wichtigsten Kritikpunkte an der Vernehmlassungsvorlage aus Sicht der DJS. Allgemein teilen die DJS die von den Expert*innen der Schuldenberatungsstellen öffentlich geäusserten Bedenken und unterstützen im Grundsatz deren Kritik und Änderungsvorschläge für die Sanierungsverfahren, namentlich die Stellungnahme des Verbands Schuldenberatung Schweiz, der unabhängigen Fachstelle für Sozialhilferecht UFS, der SKOS  und die Stellungnahme der Artias.[1]

  1. Konkursverfahren in Form eines Sanierungsverfahrens gemäss Art. 337 ff. E-SchKG

Präzisierung des Adressatenkreises und der Voraussetzungen des Verfahrens notwendig

Das neue Sanierungsverfahren im Sinne einer Restschuldbefreiung für überschuldete Personen ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Gemäss dem Bericht des Bundesrates soll dieses Instrument auch für Personen ohne Rückzahlungsmöglichkeiten oder Personen, welche Sozialhilfe beziehen, offenstehen (vgl. Erläuternder Bericht zur Eröffnung des Vernehmlassungsverfahrens (nachfolgend «Bericht»), Seite 22 und 25). Es soll damit eine Lücke im bestehenden Recht geschlossen werden, welche insbesondere mit der Verschärfung der Rechtsprechung durch das Bundesgericht entstanden ist. Während früher das Bundesgericht nur aber immerhin verlangt hat, dass der Schuldner genügend verwertbare Mittel verfügt, um die Kosten des Konkursverfahrens zu decken, setzt das Bundesgericht in jüngeren Entscheiden weiter voraus, dass ein Mindestmass an Aktiven an die Gläubiger verteilt werden kann, ansonsten das Begehren des Schuldners als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren sei (vgl. insbesondere Urteile des Bundesgerichts 5A_915/2014 vom 14. Januar 2015 E. 5.1; 5A_78/2016 vom 14. März 2016 E. 3.1 ff., 5A_433/2019 vom 26. September 2019 E. 4.1). Der Bundesrat kommt somit in seinem erläuternden Bericht zum Schluss, dass der Privatkonkurs nach aktuellem Recht aufgrund der Verschärfung der Rechtsprechung seinen Zweck, natürlichen Personen einen Schuldensanierung zu ermöglichen, gegenwärtig nicht erfüllen kann und folglich in den letzten Jahren an Bedeutung verloren hat (vgl. Bericht, Seite 10)

Die DJS teilen die Ansicht des Bundesrates, dass ein Eingreifen des Gesetzgebers notwendig ist. Im Gegensatz zu den klaren Worten des Bundesrates im erläuternden Bericht geht jedoch aus dem Text des aktuellen Gesetzesvorschlags nur ungenügend hervor, dass das neue Sanierungsverfahren gemäss Art. 337 ff. E-SchKG auch für Personen vorgesehen ist, die keinerlei Aktiven verfügen oder bei denen während der Verfahrensdauer voraussichtlich keine Aktiven abgeschöpft werden können, um an die Gläubiger eine Dividende zu bezahlen. Im Gegenteil, die vorgeschlagenen Bestimmungen gehen nach dem Wortlaut davon aus, dass während der Abschöpfungsphase ein Einkommen erzielt werden kann (vgl. Art. 339 lit. a Ziff. 1 oder Art. 343 Abs. 1 lit. c E-SchKG). Um klarzustellen, dass ein Sanierungsverfahren in solchen Fällen nicht nachträglich durch eine verschärfte Rechtsprechung als rechtsmissbräuchlich qualifiziert wird, schlangen die DJS vor, dass der Gesetzestext dahingehend ergänzt wird, dass ein Sanierungsverfahren auch ohne Abschöpfung von Aktiven erfolgreich durchgeführt werden kann.

Im Zusammenhang mit dem Adressatenkreises des neuen Sanierungsverfahrens steht auch die im Gesetzesvorschlag erwähnte Voraussetzung der dauerhaften Zahlungsunfähigkeit: Gemäss Art. 337 Abs. 3 lit. a E-SchKG steht das Verfahren nur Schuldnern offen, welche «dauerhaft zahlungsunfähig» sind. Wie der Bundesrat in seinem Bericht festhält, ist der Begriff der (dauerhaften) Zahlungsunfähigkeit nicht einheitlich und klar definiert. Aus Sicht der DJS ist der Begriff aufgrund seiner Unbestimmtheit problematisch und es ist zu befürchten, dass durch eine praxisfremde Rechtsprechung in Zukunft die Eröffnung eines Sanierungsverfahren abgewiesen werden könnte, wenn die Dauerhaftigkeit der Zahlungsunfähigkeit eines Schuldners nicht anerkannt wird. Nach Ansicht der DJS hat sich die Beurteilung der Dauerhaftigkeit der Zahlungsunfähigkeit nach den allgemeinen Grundsätzen der Schuldenberatung[2]und des Konsumkreditgesetzes (vgl. Art. 28 Abs. 4 KKG) zu richten: Ein Schuldner gilt als dauerhaft zahlungsunfähig, wenn davon ausgegangen werden muss, dass er seine Schulden nicht innert 36 Monaten zurückzahlen kann. 

Eine angemessene Begleitung des Sanierungsverfahrens sicherstellen

Gemäss dem Vorschlag des Bundesrates ist das Konkursamt zuständig für die Erstellung des Kollokationsplans und eines Sanierungsplans. Das Betreibungsamt begleitet die Abschöpfungsphase und verwertet und verteilt die abgeschöpften Vermögenswerte.

Entgegen den Vorschlägen aus dem Kreis der beigezogenen Expertengruppe will der Bundesrat jedoch auf eine gesetzliche Verankerung einer Beratungs- und Unterstützung des Schuldners verzichten (vgl. Bericht, Seite 26) und begründet dies insbesondere mit föderaler Subsidiarität. 

Für die DJS ist es unverständlich, wieso der Bundesrat auf eine gesetzliche Verankerung beratende Begleitung des Schuldners während des Sanierungsverfahrens verzichten will, obwohl Untersuchungen zeigen, dass eine solche Begleitung essenziell ist für die nachhaltige Schuldensanierung (wie auch der Bundesrat in seinem Bericht, Seite 13, anerkennt) und somit die Erreichung des Ziels der Gesetzesrevision. Nach Ansicht der DJS ist eine bundesgesetzliche Grundlage sinnvoll, mit welchen die Kantone verpflichtet werden, für eine fachkundige Beratung und Unterstützung der Schuldner zu sorgen (ähnlich wie in der Opferhilfe, vgl. 9 OHG, oder dem Familienrecht, vgl. Art. 171 ZGB). Gemäss Experten sind Massnahmen zur Stabilisierung der finanziellen Situation, der Aufbau von Finanzkompetenz und eine psychosoziale Begleitung des Schuldners unerlässlich, um eine nachhaltige Sanierung zu ermöglichen. Eine solche Begleitung hilft zudem, Abbrüche und Neuverschuldungen zu vermeiden und ist so im Ergebnis im Hinblick auf die Folgen eines Sozialhilfebezugs auch für den Staat kostengünstiger.

Nach Ansicht der DJS fehlen den Konkurs- und Betreibungsämter nach heutigem Stand die fachliche Kompetenz, um eine angemessene Begleitung des Schuldners im Sanierungsverfahren zu garantieren. Diese Ämter haben nach aktuellem Recht in erster Linie die Aufgabe, die Interessen der Gläubiger sicherzustellen. Es ist somit schwer vorstellbar, dass diesen Ämtern nun auch die Begleitung und Betreuung eines Schuldners obliegen sollen. Somit sehen die DJS die Rollenverteilung gemäss dem Vorschlag des Bundesrates allgemein kritisch und befürchten insbesondere grosse kantonale Unterschiede in der Umsetzung und somit einen föderalistischen Wildwuchs. Die DJS sehen die Schuldenberatungsstellen, welche in diesem Bereich eine langjährige Erfahrung verfügen, als weit besser geeignet für die Begleitung während der Abschöpfungsphase. Denkbar wäre auch die Ernennung eines Sachwalters, ähnlich wie beim Nachlassverfahren oder der einvernehmliche, privaten Schuldenbereinigung. Sollte der Bundesrat an der vorgeschlagenen Rollenverteilung festhalten, schlagen die DJS eine gesetzliche Präzisierung der Aufgaben der Betreibungsämter sowie deren qualitativen Anforderungen vor (insbesondere die Schaffung von neu eingerichteten Sanierungsabteilungen) und gesetzliche Regulierung in den Grundzügen betreffend Kontrolle der Arbeitsbemühungen durch die Betreibungsämter (gemäss Art. 347 E-ScKG).

Schwachstellen beim Sanierungsplan

Nach dem Vorschlag des Bundesrates erstellt das Konkursamt einen Sanierungsplan, welcher eine Prognose über den zukünftigen Ablauf des Verfahrens – namentlich die voraussichtlichen zukünftigen Erträge und Einkünfte – abgeben soll. Gemäss Auffassung des Bundesrates entfaltet der Sanierungsplan keine Rechtswirkung, da sich die Pflichten des Schuldners direkt aus dem Gesetz ergeben würden (vgl. Bericht, Seite 46). Somit kann der Sanierungsplan in der Konzeption des Bundesrates auch nicht angefochten werden.

Es ist nach Ansicht der DJS fraglich, ob ein Sanierungsplan in der vorgesehenen Form überhaupt erforderlich ist: Die Abschöpfung im neuen Sanierungsverfahren soll nämlich gemäss Art. 339 E-SchKG nach den Regeln der Lohnpfändung durchgeführt werden. Auch bei der Lohnpfändung wird das Ergebnis der Pfändung nicht durch einen Pfändungsplan prognostiziert. Zudem muss bei Veränderungen der Lebensumstände des Schuldners (Änderungen auf der Einkommens- oder Ausgabenseite wie etwa Kosten für Kinder, Gesundheit und unvorhersehbare Ausgaben) ohnehin das betreibungsrechtliche Existenzminimum im Hinblick auf die mögliche Abschöpfung während des Verfahrens angepasst werden. Es ist somit davon auszugehen, dass sich in der Praxis oft Differenzen zwischen dem ursprünglichen Sanierungsplan und den tatsächlich abgeschöpften Einkünften ergeben werden, was für den Schuldner eine unzumutbare Rechtsunsicherheit in Bezug auf den drohenden Abbruch des Verfahrens gemäss Art. 348 Abs. 1 lit. a E-SchKG bedeuten kann und für die Ämter unnötiger Aufwand entstehen lässt.

Solange am Instrument des Sanierungsplans festgehalten wird, ist es nach Ansicht der DJS erforderlich, dass dem Schuldner gegen einen fehlerhaften Sanierungsplan ein Rechtsmittel offensteht. Schliesslich sieht der Bundesrat nach Art. 348 E-SchKG vor, dass das zuständige Amt beim Konkursgericht den Abbruch des Sanierungsverfahrens beantragt, falls die pfändbaren Erträge und Einkünfte durch das Verschulden des Schuldners tiefer ausfallen als im Sanierungsplan angegeben. Die Nichteinhaltung eines (fehlerhaften) Sanierungsplans kann für einen Schuldner somit weitrechende Folgen haben, muss er doch den Abbruch des Sanierungsverfahrens und somit das Wiederaufleben seiner Überschuldung befürchten. Somit sind nach Ansicht der DJS die Erläuterungen im Bericht des Bundesrates nicht korrekt: Der Sanierungsplan ist eine Verfügung und der Schuldner hat gegen diese Verfügung die Möglichkeit – wie grundsätzlich gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes (mit Ausnahmen der direkten Klageverfahren) – gemäss Art. 17 SchKG bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde zu führen.

Verfahrensdauer mit 4 Jahren zu lang

Gemäss Art. 346 Abs. 4 E-SchKG soll die Dauer, während welcher die verfügbare Quote aus den laufenden Erträgen und Einkünften des Schuldners gepfändet wird, 4 Jahre betragen.

Nach Ansicht der DJS ist eine Abschöpfungsdauer von 3 Jahren angemessen. Der Vorschlag des Bundesrates mit einer Abschöpfungsdauer von 4 Jahren widerspricht den bisherigen Erfahrungen aus der Praxis und steht im Widerspruch mit Regulierungen in anderen Rechtsgebieten und internationalen Modellen. Auch der Bundesrat schreibt in seinem Bericht, dass sich viele Expert*innen für eine Verfahrensdauer von drei Jahren aussprachen, da diese Dauer gemäss den in der Praxis gemachten Erfahrungen der zumutbaren Höchstdauer entspreche, in der restriktive Sanierungspläne eingehalten werden können (vgl. Bericht, Seite 48).

Die DJS verweisen insbesondere auf die relevante Dauer von 36 Monaten bzw. 3 Jahren im Bereich des Konsumkreditgesetzes: Gemäss Art. 28 Abs. 4 KKG ist für die Prüfung, ob eine Person kreditfähig im Sinne des KKG ist, eine Rückzahlungsdauer von 3 Jahren zu berücksichtigen, selbst wenn ver­traglich eine längere Laufzeit vereinbart worden ist. Auch im Bereich der Nachlassverfahren für natürliche Personen gehen die Nachlassgerichte in der Regel von einer Sanierungsdauer von nicht mehr als 3 Jahren aus. Ein Abweichen von dieser in der Praxis bewährten Dauer von 3 Jahren im Bereich des neuen Sanierungsverfahrens würde somit gesetzessystematisch quer in der Landschaft stehen und allenfalls sogar dazu führen, dass andere Verfahren geschwächt würden (so ist vorstellbar, dass Gläubiger einem aussergerichtlichen Nachlassangebot über die bewährte Dauer von 3 Jahren nicht zustimmen würden, falls sie im neuen Sanierungsverfahren eine längere Abschöpfungsdauer von 4 Jahren erwarten können). Zu verweisen ist ebenfalls auf die Abschöpfungsdauer von 3 Jahren in den Restschuldbefreiungsmodellen in Deutschland und Österreich sowie in der Richtlinie der EU, welche ebenfalls eine Restschuldbefreiung innert 3 Jahren vorsieht (vgl. Bericht, Seite 31). Schliesslich gibt auch der Bundesrat in seinem Bericht zu, dass anzunehmen ist, dass der Wert der von einer Schuldenbefreiung betroffenen Forderungen in der Regel gegen Null tendiert und somit bei einer längeren Verfahrensdauer kaum mehr Mittel abgeschöpft werden können (vgl. Bericht, Seite 48). Aus diesen Gründen fordert die DJS eine Festlegung der Verfahrensdauer des neuen Sanierungsverfahrens auf 3 Jahre.

Nicht nachvollziehbare Ausnahme von der Schuldenbefreiung

Der Bundesrat sieht in Art. 350a E-SchKG Ausnahmen von der Restschuldbefreiung vor. Die DJS begrüssen, dass das neue Konkursverfahren weit gefasst ist und grundsätzlich sämtliche Forderungen, die vor der Eröffnung des Sanierungsverfahrens entstanden sind, erfasst soll, namentlich auch Steuer- und Krankenkassenforderungen.

Zu begrüssen ist insbesondere, dass auch Forderungen aus familienrechtlichen Unterhaltsverpflichtungen, welche auf das Gemeinwesen übergegangen sind, von der Restschuldbefreiung erfasst sind. Da die DJS in ihrem Berufsalltag sehr oft feststellen, dass Klient*innen Schulden gegenüber Sozialdiensten aufgrund einer Alimentenbevorschussung aufweisen, wäre ohne diese Forderungsbefreiung das Ziel einer nachhaltigen Schuldensanierung in vielen Fällen nicht erreichbar.

Nicht nachvollziehbar ist für die DJS hingegen die Ausnahme der Schuldbefreiung in Bezug auf Rückerstattungsforderungen der Sozialhilfe und der Sozialversicherungen für Leistungen, welche unrechtmässig bezogen worden sind (Art. 350a Abs. 1 lit. d und e E-SchKG). Im Hinblick auf die Tatsache, dass das neue Konkursverfahren voraussichtlich viele Personen betreffend wird, welche vor oder während dem Abschöpfungsverfahren zumindest zeitweise Sozialhilfe beziehen oder bezogen haben, würde das neue Konkursverfahren mit dieser Ausnahme für eine wesentliche Personengruppe kein vollständiges Restschuldbefreiungsverfahren darstellen. Es gibt nach Ansicht der DJS keinen Grund, die Forderungen aus Leistungsbezügen der Sozialhilfe vom neuen Konkursverfahren auszunehmen. Dieses System würde zudem staatliche Forderungen gegenüber Forderungen von privaten Gläubigern grundlos bevorzugen. Nach Ansicht der DJS ist die Ausnahme in lit. d somit zu streichen. 

Aus den gleichen Gründen ist die Ausnahme in lit. e für Forderungen, welche aufgrund unrechtmässig bezogener Leistungen der Sozialversicherungen entstanden sind, zu streichen. Der Leitgedanke der Ausnahmen in Art. 350a E-SchKG, insbesondere Forderungen, welche einen Strafzweck haben oder ein Unrecht ausgleichen sollen, nicht von der Restschuldbefreiung zu erfassen, lässt sich auch ohne die Ausnahme in lit. e verwirklichen: Es ist daran zu erinnern, dass die Sanktionierung des unrechtmässigen Bezugs von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe durch die Strafjustiz mit einer Verurteilung gemäss Art. 148a StGB erfolgt. Der unrechtmässige Leistungsbezug wird im Strafverfahren in Anwendung von Art. 148a StGB in der Regel mit einer Geldstrafe sanktioniert, welche gemäss Art. 350a Abs.1 lit. a E-SchKG ohnehin von der Restschuldbefreiung ausgenommen ist. Die Sanktionierung des unrechtmässigen Leistungsbezugs ist somit mit Art. 350a Abs.1 lit. a E-SchKG bereits sichergestellt und die Ausnahme in lit. e würde eine doppelte Bestrafung darstellen. 

  1. Vereinfachtes Nachlassverfahren gemäss Art. 333 ff. E-SchKG

Die DJS begrüssen den Vorschlag des Bundesrates für ein vereinfachtes gerichtliches Nachlassverfahren. Die Erleichterungen im Verfahren sind nach Ansicht der DJS aus Sicht aller involvierten Parteien und im Interesse der Verfahrensökonomie positiv zu beurteilen. Dies gilt insbesondere für Art. 336 lit. a, wonach Gläubiger, welche sich im Nachlassverfahren passiv verhalten und sich nicht äussern, für die Berechnung der Gläubigermehrheit nicht berücksichtigt werden. Sinnvoll ist ebenfalls, auf die Sicherstellung von privilegierten Forderungen zu verzichten und somit eine Abzahlung dieser Forderungen während des Verfahrens zu ermöglichen. 

Nach Ansicht der DJS wären weitere Erleichterungen sinnvoll. So könnte das Nachlassgericht die Kompetenz erhalten, einen Nachlassvertrag auch dann zu bestätigen, wenn eine Mehrheit der Gläubiger dagegen ist. Dies wäre dann angebracht, wenn das Gericht zum Schluss kommt, dass eine Ablehnung des Vergleichs den Gläubigern keine bessere Aussicht auf Befriedigung geben würde. Weiter sollte nach Ansicht der DJS das vereinfachte Nachlassverfahren auch für Personen offenstehen, welche sich freiwillig ins Handelsregister eintragen lassen (Umsatz unter CHF 100'000.-). Es ist davon auszugehen, dass bei diesen Personen ebenfalls «einfache Verhältnisse» vorliegen, für welche das neue vereinfachte Nachlassverfahren vorgesehen ist (vgl. Bericht, Seite 23).

 

[1] Vgl. Schuldenberatung Schweiz, https://schulden.ch/positionen/restschuldbefreiung sowie Artias, dossier du moi juillet 2022, https://artias.ch/artias_dossier/permette-un-nouveau-depart-regards-croises-sur-lavant-projet-dassainissement-des-dettes-des-particuliers/ und die Stellungnahme der SKOS https://skos.ch/fileadmin/user_upload/skos_main/public/pdf/Publikationen/Vernehmlassungen/2022_SKOS_Vernehmlassungsantwort_Restschuldbefreiung.pdf

[2] Vgl. Richtlinien des Dachverbandes Schuldenberatung Schweiz, abrufbar unter: https://schulden.ch/wp-content/uploads/2021/09/sbs-richtlinien.pdf