Aktuell

Bern, 1. Juni 2021

Die Demokratischen Juristinnen und Juristen Bern (djb) stellten am vergangenen Samstag mit Enttäuschung fest, dass die bewilligte Kundgebung #stopsuizidsonneblick trotz Zusage für den Waisenhausplatz, mangels Platz aufgrund der Gastbetriebe, vor den Meret-Oppenheim-Brunnen ausweichen musste.

Am Samstag hätte die bewilligte Kundgebung #stopsuizidsonneblick auf dem Waisenhausplatz stattfinden sollen. Die djb waren mit einem Legal-Team vor Ort. Die Kundgebung konnte jedoch nicht wie bewilligt und geplant stattfinden; die Gastbetriebe am Waisenhausplatz wurden vorgängig nicht über die anstehende Kundgebung informiert und hatten somit den Waisenhausplatz nicht räumen können. Die Teilnehmenden mussten also auf die deutlich kleiner Fläche um den Meret-Oppenheim-Brunnen ausweichen. Die djb verurteilen die Fehlkommunikation der Stadt Bern. Das Recht auf Versammlungsfreiheit ist insbesondere während der anhaltenden Corona-Pandemie ein wichtiges politisches Recht, das geschützt werden müsste. Damit Demonstrationen jedoch sicher ablaufen können, ist Planungssicherheit wichtig. Mit ihrem Fehler hat die Stadt Bern sowohl den reibungslosen, als auch den sicheren Ablauf der Demonstration gefährdet. Zudem scheint es irritierend, dass ausgerechnet bei Menschen aus Asylunterkünften und ohne sicheren Aufenthaltstatus in der Schweiz, ein solcher Fehler geschehen konnte. Die politischen Rechte dieser Personen sind für sie schwieriger auszuüben und deshalb umso schützenswerter. Es wäre daher angebracht gewesen, diese Personen in der Ausübung ihrer Rechte auf Versammlungs-, Meinungs- und Informationsfreiheit zu unterstützen und dafür die Kundgebung so stattzufinden lassen, wie sie bewilligt und organisiert war.

Bern, 12.04.2021

Neun Organisationen, darunter federführend die Grün alternative Partei, weiter die Demokratischen Juristinnen und Juristen Bern, die GSoA sowie diverse Parteien und eine Einzelperson reichen dem Bundesgericht ihre Beschwerde gegen das faktische Kundgebungsverbot im Kanton Bern ein.

Der Regierungsrat hat am 18.12.2020 die Covid-19 V (Verordnung) erlassen, die in Art. 6a die Anzahl Teilnehmenden von Kundgebungen auf 15 Personen begrenzt. Inzwischen wurde die ursprünglich befristete Beschränkung drei Mal verlängert und soll nun bis zum 30.04.2021 gelten. Der Bundesrat hingegen nimmt in seiner Covid-19-Verordnung besondere Lage zivilgesellschaftliche und politische Kundgebungen explizit aus der Beschränkung der Anzahl Teilnehmenden an Veranstaltungen im Freien auf 15 Personen aus und lässt eine Maskentragpflicht für die Teilnehmenden von Kundgebungen genügen. Da der Bundesrat den Gegenstand Kundgebungen ausschliesslich und erschöpfend regelt, ist die kantonale Beschränkung der Anzahl von Teilnehmenden nichtig, was bedeutet, dass sie nicht zur Anwendung kommen kann. Der Regierungsrat kann sich für seine schärferen Massnahmen auch nicht auf die besonderen Kompetenzen der Kantone (Art. 8 Abs 1 Covid-19-Verordnung besondere Lage) stützen, er müsste dafür das Vorliegen einer schwierigen epidemiologischen Lage im Kanton Bern darlegen. Er hielt sich aber beim Erlass sowie bei den Verlängerungen der Beschränkungen allgemein und machte bloss ein mögliches Risiko einer Gefährdung durch die Kundgebungen und Vollzugsgründe geltend.
 
Weiter verstösst die kantonale Beschränkung der Anzahl Teilnehmenden von Kundgebungen, die ein faktisches Kundgebungsverbot ist, gegen die Grundrechte der Meinungs- und Versammlungsfreiheit gemäss Art. 16 und 22 der Bundesverfassung und gegen die Kundgebungsfreiheit nach Art. 19 der Kantonsverfassung. Für eine solche Beschränkung, bräuchte es eine Regelung in einem Gesetz im formellen Sinn, eine Regelung auf Verordnungsstufe ist nicht ausreichend. Zudem ist die Beschränkung nicht im öffentlichen Interesse, da der Schutz der öffentlichen Gesundheit durch Kundgebungen mit Maskentragpflicht nicht beeinträchtigt wird. Die Beschränkung ist auch nicht verhältnismässig, da Kundgebungen in einem demokratischen Staat eine wichtige und grundlegende Funktion erfüllen:
 
«Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit (ist) für eine demokratische Gesellschaft zentral und Kundgebungen (sind) oftmals die einzige Möglichkeit, gerade für marginalisierte Gruppen, ein bisher vernachlässigtes Anliegen in die Öffentlichkeit zu tragen. Bisher gibt es keinen Vorgang, der diese Funktion ersetzen konnte, auch nicht meinungsbildende Beiträge in den sozialen Medien. Sie entfalten nicht die gleichen Wirkungen, da die Anliegen von denjenigen, die die Beiträge nicht lesen möchten, ignoriert werden können. Diese Beiträge haben keine Apellwirkung.
 
Auch in einer gesellschaftlichen Lage wie der jetzigen sind Kundgebungen, wie beispielsweise der Klimastreik am 19. März 2021, wichtig und legen den Grundstein für einen pluralistischen Diskurs, der wiederum Grundlage der demokratischen Meinungsbildung ist. Die verschiedenen Meinungen müssen gehört und aufgenommen werden, dies führt zu besseren Entscheidungen. Kundgebungen müssen zudem zeitnah zu Ereignissen erfolgen können, sie können nicht verschoben werden. Als Einschränkung ist nur die Einhaltung der Maskentragpflicht zulässig.»

Die Beschwerde finden Sie hier.