
Archiv Aktuell bis 2015
Rückblick: Noch mehr Kuscheljustiz mit dem revidierten Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches ?
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Nach einer kurzen Einleitung durch PETER ALBRECHT (Moderation)
diskutierten DOMINIK LEHNER, FELICITAS LENZINGER, URSULA METZGER und
CHRISTIAN VON WARTBURG über ihre ersten Erfahrungen in der Praxis.
FELICITAS LENZINGER bemängelte das entstandene Missverhältnis zwischen
Bussen und bedingten Geldstrafen, vor allem im SVG. Auch seien die
Informationen für das Bestimmen des Tagessatzes bei
Selbständigerwerbenden nur mit grossem Aufwand eruierbar. Da
gemeinnützige Arbeit nur mit Einverständnis der Betroffenen
ausgesprochen werden könne, würden solche die im Verzeigungsverfahren
mit einem Strafbefehl verurteilt werden nicht erfasst. Gemäss DOMINIK
LEHNER habe sich das Sanktionensystem verkompliziert. Der
Ermessensspielraum, der vor der Revision in der Kompetenz der Exekutive
lag, habe sich nun zur Judikative hin verschoben. Die Sanktionen
könnten somit nicht mehr individuell angepasst werden. Er befürwortete
die alternativen Strafen und sähe es gerne, wenn aus
Rechtsgleichheitsgründen das elektronic monitoring ins Gesetz
implementiert würde. URSULA METZGER bestätigte, dass das
Sanktionensystem auch für die Opfer komplizierter zu verstehen sei.
Wichtig für den Gerechtigkeitssinn der Opfer sei es, dass ein Urteil
vorliege. Sie würde es ausserdem begrüssen, wenn Schadenersatz und
Genugtuung eine zentralere Rolle spielen würden. Freiheits- und zum
Teil auch Geldstrafen im Bereich häuslicher Gewalt könnte das Opfer
negativ treffen, da die finanzielle Einbusse des Täters das Opfer
direkt treffen könnte. CHRISTIAN VON WARTBURG schliesslich gab zu
Bedenken, dass durch Geldstrafen lediglich die finanziell Schwächeren
getroffen würden ausserdem habe sich die heutige Gerichtspraxis zur
unbedingten Freiheitsstrafe für den Täter ungünstig entwickelt. Die
Tendenz sei da, dass unbedingte Freiheitsstrafen von 1 1/2 neu auf 3
1/4 Jahre erhöht würden. Rechtsgleichheit gebe es ausserdem nicht. Die
Vielfalt der Sanktionsmöglichkeiten sei aber eine Chance, vor allem
wenn bedingte Strafen mit Weisungen verknüpft würden.
Noch mehr Kuscheljustiz mit dem rev. Allg. Teil des StGB 57.70 Kb
