Das neue Bundesgesetz «Polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus» (PMT) ist am 1. Juni 2022 in Kraft getreten. Gemäss einem kürzlich in der Presse erschienen Artikel wurden im Herbst erstmals Zwangsmassnahmen aufgrund des neuen Terrorgesetzes verfügt.

Die PMT sollen es ermöglichen, präventiv gegen Personen vorzugehen, von denen nach Einschätzung der Behörden eine sogenannte «terroristische Gefahr» ausgeht. Gemäss der Regierung sollen sie das strafrechtliche Arsenal komplementieren und zum Einsatz kommen, wenn noch nicht genügend Verdachtsmomente für die Eröffnung eines Strafverfahrens vorliegen. Dementsprechend wird weder der Verdacht einer Straftat noch eine Vorbereitungshandlung vorausgesetzt.

Das Bundesamt für Polizei fedpol kann «terroristischen Gefährder*innen» Massnahmen auferlegen, welche von Gesprächs- oder Meldepflicht über Fussfesseln, Kontakt-, Rayon-, und Ausreiseverbot bis hin zu präventivem Hausarrest reichen. Mit Ausnahme des Hausarrests kann fedpol die Zwangsmassnahmen eigenmächtig und ohne richterliche Überprüfung anordnen. Die Massnahmen können selbst gegen 12-jährige Kinder (Hausarrest gegen 15-jährige) ergriffen werden. Somit wird dieses Gesetz unausweichlich zu weitgehenden Einschränkungen der Grund- und Menschenrechte führen.

Gemäss Menschenrechtsexpert*innen der UNO und des Europarats sowie mehr als 60 Schweizer Rechtsprofessor*innen und Expert*innen öffnet das PMT-Gesetz Willkür Tür und Tor. Es bedient sich vager Rechtsbegriffe, die den Behörden einen enormen Interpretationsspielraum lassen. Als terroristisch gelten bereits «Bestrebungen zur Beeinflussung oder Veränderung der staatlichen Ordnung», unter anderem durch die «Verbreitung von Furcht und Schrecken».  Bei dieser Definition wird im Gegensatz zu den internationalen Standards weder eine Straftat noch die Anwendung oder Androhung von Gewalt vorausgesetzt. Somit könnte legitimer Protest wie etwa der Klimastreik schon als «terroristisch» verfolgt werden.

Besonders der im PMT- Gesetz vorgesehene Hausarrest, der gemäss Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte einen Freiheitsentzug darstellt, verstösst gehen die Europäische Menschenrechtskonvention.

Zudem führen derart präventive Verwaltungsmassnahmen zur Umgehung der regulären Strafjustiz, ihrer Grundsätze und verfahrensrechtlichen Garantien, denn die Behörden beabsichtigen nicht, gegen die betroffenen Personen zu ermitteln oder sie strafrechtlich zu verfolgen. Diese bewusste Abkehr von der Strafjustiz ist besorgniserregend. Zudem beruhen die Massnahmen in den meisten Fällen auf Informationen des Nachrichtendienstes, zu denen die betroffenen Personen in der Regel keinen Zugang haben. So wird das Recht auf ein faires Verfahren untergraben und es kommt zu einer Umkehr der Beweislast, denn die von den Massnahmen betroffene Person muss den unmöglichen Beweis ihrer «Ungefährlichkeit» erbringen. 

Die DJS sind Teil der Arbeitsgruppe Sicherheit der NGO-Plattform Menschrechte Schweiz, die die Anwendung des PMT verfolgt. Wir versuchen im Rahmen strategischer Prozessführung, Fälle mit Blick auf eine grund- und menschenrechtsfreundliche Klärung relevanter Rechtsfragen zu identifizieren. Falls Ihnen Fälle bekannt sind, in denen polizeiliche Massnahmen angeordnet werden oder Sie die Arbeit der Arbeitsgruppe unterstützen möchten, können Sie sich an die Koordinatorin der AG Sicherheit wenden: Cette adresse e-mail est protégée contre les robots spammeurs. Vous devez activer le JavaScript pour la visualiser..

Alicia Giraudel, Amnesty International Schweiz und Koordinatiorin AG Sicherheit der NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz