Prises de positions 2022

Vernehmlassungsverfahren: Revision des Bundesgesetzes über den Nachrichtendienst (Nachrichtendienstgesetz, NDG) vom 25. September 2015

Stellungnahme der DJS als PDF

Vor etwas mehr als 30 Jahren deckte eine Parlamentarische Untersuchungskommission auf, dass die eidgenössischen und kantonalen Behörden ohne gesetzliche Grundlage mehr als 900'000 Fichen und Dossiers über Personen und Organisationen angelegt hatten.[1] Mangelhafte gesetzliche Grundlagen und überholte Bedrohungsbilder hatten dazu geführt, dass Informationen über die rechtmässige Ausübung politischer Rechte von zumeist linken und kritischen Organisationen und Einzelpersonen gesammelt worden waren. Der Gesetzgeber handelte und erliess mit dem Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) eine Bearbeitungsschranke (heute Art. 5 Abs. 5 NDG; ursprünglich Art. 3 Abs. 1 aBWIS).[2] Dies ausdrücklich, um die Ausübung politischer Rechte und politischer Meinungsbildung zu schützen.[3]

Gleichwohl wurde im Juni 2022 öffentlich bekannt, dass der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) – unter der alten Führung von Markus Seiler und Jean-Philippe Gaudin – über Jahre hinweg wissentlich gegen die Bearbeitungsschranke in Art. 5 NDG verstossen und sogar Empfehlungen sowie Gutachten der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) und des Bundesamts für Justiz (BJ) missachtet hat.[4] Daraufhin kündete derNDB öffentlichkeitswirksam an, seine interne «Sammel-Weisung» an die gesetzliche Bearbeitungsschranke angepasst und seitdem mehr als 4 Millionen Daten gelöscht zu haben.[5]

Vernehmlassungsverfahren: Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (Sanierungsverfahren für natürliche Personen)

Stellungnahme der DJS als PDF

Anwält*innen der DJS begegnen in ihrem Berufsalltag oft Klient*innen, welche hoch verschuldet sind und mit den bestehenden Instrumenten des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts nicht aus der Schuldenspirale herausfinden. Die fehlende Aussicht auf ein schuldenfreies Leben hindert diese Personen bei der sozialen und beruflichen Integration und treibt oder belässt diese mit Fehlanreizen in den Armen der Sozialhilfe. Insbesondere die häufig anzutreffenden, offenen Steuer- und Krankenkassenforderungen werden mit den bestehenden Instrumenten ungenügend berücksichtigt, namentlich da Steuern im betreibungsrechtlichen Existenzminimum nicht aufgenommen werden und Forderungen der Sozialversicherungen gegenüber anderen Forderungen privilegiert sind. Zudem mussten die DJS in den letzten Jahren eine massive Verschärfung der Rechtsprechung gegenüber verschuldeten Personen feststellen, insbesondere indem das Bundesgericht für natürliche Personen, die keine oder fast keine Aktiven zu verteilen haben, den Privatkonkurs gemäss Art. 191 als rechtsmissbräuchlich qualifizierte. Auch erschweren praxisfremde Rechtssprechungstendenzen im Zusammenhang mit der Feststellung neuen Vernmögens (i.Z.m. Art. 265a SchKG) den eigentlichen Zweck des bisherigen Privatkonkurses. Nach Ansicht der DJS ist als Missstand zu bezeichnen, dass die Schweiz im Gegensatz zu den meisten europäischen Ländern und den USA kein Sanierungsverfahren zur Restschuldbefreiung kennt. 

Vor diesem Hintergrund begrüssen die DJS grundsätzlich die Stossrichtung der vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderung des SchKG in Bezug auf die Sanierungsverfahren für natürliche Personen. Die vorgeschlagene Ausgestaltung der SchKG-Änderung enthält jedoch aus Sicht der DJS verschiedene unbestimmte Begriffe und Fehlkonstruktionen, welche an der Wirksamkeit der neuen Sanierungsverfahren Zweifel aufkommen lassen.

Die Demokratischen Jurist*innen Schweiz (DJS-JDS) bedanken sich für die Einladung zur Vernehm- lassung und nehmen zu obengenannten Vorlagen des EJPD gerne Stellung. Zunächst sei daran erin- nert, dass im Bereich staatlicher Überwachung elementare Persönlichkeitsrechte der Bevölkerung in- frage stehen. Jede Möglichkeit einer Überwachung bedeutet einen Eingriff in die Grundrechte der per- sönlichen Freiheit, der Achtung der Privatsphäre und der informationellen Selbstbestimmung. Diese Rechte beinhalten den Anspruch auf die Gewährleistung der Vertraulichkeit und die Integrität informa- tionstechnischer Systeme. Aufgrund der Schwere allfälliger Grundrechtseingriffe ist insbesondere bei den gesetzlichen Grundlagen äusserste Sorgfalt in Bezug auf die zu wählende Normstufe- und dichte angezeigt.

DJS-Stellungnahme-BÜPF.pdf