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No Returns to Greece - Für Dublin-Rücküberstellte besteht die reale Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung

Dieses Gutachten bewertet die Risiken und Bedingungen, denen Asylsuchende, insbesondere Dublin-Rücküberstellte, in Griechenland ausgesetzt sind. Trotz rechtlicher Rahmenbedingungen, die angemessene Aufnahmebedingungen und faire Asylverfahren gewährleisten sollen, bestehen erhebliche Mängel, die ernsthafte Bedenken hinsichtlich der menschenrechtlichen Folgen einer Rückführung nach Griechenland im Rahmen der Dublin-III-Verordnung aufwerfen.

Hier finden Sie das Gutachten.

Dublin-System und vormals suspendierte Dublin-Überstellungen nach Griechenland

Abschnitt I bietet einen Überblick über den rechtlichen Rahmen des Dublin-Systems sowie dessen Grundsätze wie die widerlegbare Vermutung eines gleichwertigen Schutzes in den Mitgliedstaaten (I.1). Darüber hinaus werden die Entwicklungen nach den zwei Grundsatzurteilen von 2011 – des EGMR in M.S.S. gegen Belgien und Griechenland und des EuGH in der gemeinsamen Rechtssache N.S. gegen Secretary of State und M.E. gegen Refugee Applications Commissioner – dargestellt (I.2). Zudem wird die jüngste Rechtsprechung des EGMR kurz diskutiert, der im Oktober 2024 mit dem Urteil H.T. gegen Deutschland und Griechenland bekräftigt hat, dass die Dublin-Überstellung einer asylsuchenden Person nach Griechenland einen Verstoß gegen das Verbot der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung gemäß Artikel 3 EMRK darstellen kann (I.4).

Systembedingte Hindernisse für den Zugang zum Asylverfahren in Griechenland

Abschnitt II zeigt nach einer kurzen Darstellung der rechtlichen Grundlagen (II.1) auf, dass asylsuchende Personen nach Dublin-Überstellungen mit erheblichen Hindernissen beim (erneuten) Zugang zum Asylverfahren in Griechenland konfrontiert sind. Es gibt keine gesonderten Verfahrenswege für asylsuchende Personen nach Dublin-Überstellungen, welche ihre faire Behandlung spezifisch gewährleisten würden. Die griechischen Behörden garantieren lediglich, asylsuchende Personen nach Dublin-Überstellungen über das Asylverfahren zu informieren, sichern den Zugang zu diesem Verfahren aber nicht explizit zu (II.2.a). Generell ist das griechische Asylverfahren durch lange Verzögerungen bei der Registrierung gekennzeichnet – auf dem Festland sind Wartezeiten von mehr als 12 Monaten dokumentiert –, wobei die Antragsteller*innen in dieser Zeit in völliger Ungewissheit, ohne Papiere, Unterkunft oder medizinische Versorgung verbleiben (II.2.b). Es besteht ein gravierender Mangel an Übersetzer*innen, der sowohl den Zugang zum Asylverfahren behindert als auch dessen Durchführung verzögert, da Anhörungen verschoben werden müssen oder gar nicht erst angesetzt werden können (II.2.c). Darüber hinaus können asylsuchende Personen nach Dublin-Überstellungen, die dem EU-Türkei-Deal unterstehen, in Gewahrsam genommen werden, um ihre Rückführung auf die ihnen zugewiesene griechische Insel zu vollziehen. Auf den Inseln müssen sie sodann das beschleunigte Grenzverfahren durchlaufen und werden in gefängnisähnlichen Asyllagern untergebracht (II.3). Je nach Staatsangehörigkeit besteht die Gefahr, dass ein Antrag um internationalen Schutz unter der Annahme, die Türkei sei ein sogenannt sicherer Drittstaat, als unzulässig zurückgewiesen wird. In diesen Fällen werden die Asylanträge nicht in der Sache geprüft, sondern es wird die Rückführung in die Türkei angeordnet (II.4.b). Zudem haben die griechischen Behörden in der Vergangenheit nach Dublin-Überstellungen mit Verweis auf die vorangegangene Ausreise aus Griechenland – und eines angeblichen stillschweigenden Rückzugs des Antrags auf internationalen Schutz – Asylverfahren eingestellt. Es gibt keine Hinweise darauf, dass die griechischen Behörden diese Praxis nicht fortsetzen würden (II.4.a).

Prekäre Aufnahme- und Lebensbedingungen

Abschnitt III untersucht die vom EU-Recht geforderten materiellen Mindeststandards für Aufnahmebedingungen (III.1) und deren Umsetzung in Griechenland. Die Unterbringung erfolgt in isolierten Lagern auf dem Festland (III.2.a) oder in gefängnisähnlichen Einrichtungen auf den Ägäis-Inseln (III.2.b). Die Unterbringung in diesen Lagern ist gekennzeichnet durch Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, einschließlich rechtswidriger de-facto-Haft (III.3), und inakzeptable Lebensbedingungen. Dazu gehören unzureichende Infrastruktur, schlechte Instandhaltung (III.4.a) und das Fehlen einer ausreichenden Versorgung mit Lebensmitteln, Wasser (III.4.c) und Hygiene (III.4.a) sowie durch erheblichen Personalmangel und eingeschränkten Zugang zu medizinischer Versorgung (III.4.b). In Berichten von Nichtregierungsorganisationen und internationalen Institutionen wird immer wieder auf die unzureichenden und menschenunwürdigen Aufnahmebedingungen in griechischen Asylunterkünften hingewiesen, wobei Griechenland wiederholt vom EGMR wegen Verletzung der in der EMRK verankerten Grundrechte der Antragsteller verurteilt wurde (III.4).

Routinemässige und rechtswidrige Inhaftierungspraktiken und unzureichende Bedingungen

In Abschnitt IV legt die Expert Opinion zunächst den rechtlichen Rahmen für die Administrativhaft in Griechenland dar ( IV.1) und untersucht dann die entsprechende Praxis in Griechenland. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass asylsuchende Personen nach Dublin-Überstellungen wie andere Asylsuchende dem Risiko einer willkürlichen Inhaftierung ausgesetzt sind, da die griechischen Behörden routinemäßig eine Inhaftierung von Asylsuchenden anordnen, unabhängig davon, ob eine Abschiebung oder Ausschaffung in absehbarer Zeit tatsächlich durchgeführt werden kann oder nicht ( IV.2). Darüber hinaus entsprechen die Hafteinrichtungen nicht den grundlegenden Menschenrechtsstandards, da die Inhaftierten unhygienischen Bedingungen, Überbelegung, fehlender medizinischer Versorgung und unzureichender rechtlicher Unterstützung ausgesetzt sind (IV.3).
Anhaltendes Risiko einer irregulären Abschiebung: Abschnitt V zeigt auf, dass für asylsuchende Personen nach Dublin-Überstellungen weiterhin die Gefahr einer willkürlichen, summarischen Abschiebung über die griechisch-türkischen Land- oder Seegrenzen besteht (V).

Rechtliche und institutionelle Hindernisse für die Justiz

Abschnitt VI beleuchtet, wie Menschen, die internationalen Schutz beantragen wollen, einschließlich Personen nach Dublin-Überstellungen, mit verschiedenen Hindernissen beim Zugang zur Justiz in Griechenland konfrontiert sind. Insbesondere Rechtsmittel gegen Inhaftierung und Menschenrechtsverletzungen sind oft entweder unwirksam oder gar nicht erst verfügbar, da griechische Gerichte es routinemäßig unterlassen, dokumentierte Übergriffe oder Rechtsverletzungen weiter zu untersuchen (VI).

Schlussfolgerung

Die Rückführung von asylsuchende Personen nach Dublin-Überstellungen nach Griechenland birgt ein hohes Risiko von Menschenrechtsverletzungen: In Abschnitt VII legen die Autor*innen schließlich ihre Schlussfolgerung dar, wonach die Rückführung von asylsuchenden Personen nach Griechenland im Rahmen der Dublin-III-Verordnung angesichts der anhaltenden strukturellen Mängel im griechischen Asylsystem, der prekären und entwürdigenden Aufnahmebedingungen und der systematischen Risiken von Inhaftierung und Zurückweisung mit Artikel 3 EMRK und Artikel 4 der EU-Charta unvereinbar wäre (VII).

Hier finden Sie das Gutachten.