Auf direktem Weg rückwärts zum Spitzel- und Schnüffelstaat!

Die Demokratischen Juristinnen und Juristen DJS lehnen die vom EJPD unterbreiteten Revisionsvorschläge vollumfänglich ab und fordern die politischen Parteien, bzw. das Parlament dazu auf, auf die Vorlage nicht einzutreten und  vielmehr eine längst fällige umfassende und transparente Effizienz-Analyse im Sinne einer Rechts-Tatsachen-Forschung zu verlangen:

Sowohl über die bisherige Tätigkeit der Staatsschützer als auch über die Tauglichkeit der zahlreichen Gesetzgebungen, Verordnungen und Zwangs-Massnahmen, die im gesamten Bereich der inneren Sicherheit und speziell im Rahmen der „Bekämpfung des Terrorismus und der organisierten Kriminialität“ seit mehreren Jahren in Kraft sind.

Das BWIS ist seit rund neun Jahren in Kraft. Die parlamentarische Kontrolle ist höchst unbefriedigend, ebenso das faktisch nicht existente Einsichtsrecht oder weitere Kontrollmassnahmen, die es erlauben würden, die Arbeit des „Dienst für Analyse und Prävention“ (DAP) laufend zu überprüfen. Die im Vorfeld des 1. August 2006 gemachten Erfahrungen über offensichtlich falsch und zu Unrecht fichierte Personen („Rütli-Überprüfungen“) sind nur ein kleines Beispiel dafür, was von den ständig mehr als 60'000 Personen und Organisationen, die im Staatsschutz-Computer-System ISIS gespeichert sind zu halten ist.

Die vorliegenden Gesetzesverschärfungen folgen der irrigen Logik „je weniger Verdacht, desto mehr Überwachung“. Die DJS lehnen die vorgesehenen geheimen Überwachungen von Telefonen, E-Mail und Postverkehr ebenso ab wie das Anheuern von bezahlten Spitzeln und Informanten oder das vorgesehene Anbringen von Wanzen in privaten Räumen.

Letzteres wäre notwendigerweise in den meisten Fällen nur möglich, wenn die Staatsschützer in die entsprechenden Räumlichkeiten einbrechen würden. Es liegt nahe, dass bei dieser Gelegenheit auch gleich noch eine geheime Durchsuchung der Räumlichkeiten erfolgt (wie im ersten Entwurf zum BWIS noch vorgesehen).

Die Anwerbung von (bezahlten) Spitzeln, beispielsweise Angestellte einer Anwaltskanzlei oder die Ausforschung von Medienschaffenden durch V-Personen führen nach Ansicht der DJS die Schweiz auf direktem Weg rückwärts zum Spitzel- und Schnüffelstaat wie er seit der Fichenaffäre noch bestens in Erinnerung ist.

Der Gesetzesentwurf ist geprägt von einer für die DJS nicht akzeptablen Dominanz der Exekutive (Bundesrat, bzw. Justizminister) und der Verwaltung (DAP, VBS). Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass eine spezielle Kammer des Bundesverwaltungsgerichts eine Stellungnahme abgeben muss - wie etwa zu den Anträgen des DAP auf Telefonüberwachung. Einerseits hat die Kammer nur gerade 72 Stunden Zeit für eine Prüfung der Anträge, andererseits ist sie ausschliesslich von den Informationen abhängig, die der DAP ihr liefert. Die Gerichtskammer hat keine Möglichkeit, diese Informationen auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen, das Bundesverwaltungsgericht dient somit gerade mal als justizielles Alibi.

Noch ausgepägter zeigt sich diese Exekutiv-Dominanz mit der neu vorgesehenen bundesrätlichen Kompetenz, gewissen Organisationen nicht näher bestimmte Tätigkeiten zu verbieten. Derartige Verbote kann derzeit nur der Gesamt-Bundesrat, gestützt auf Art. 184 Bundesverfassung erlassen. Neu soll dies in der Kompetenz des Vorstehers des EJPD liegen. Ohne dass sich für die Begründung ein direkter Beweis erbringen lässt, könnte der Justizminister damit einer Organisation oder Gruppierung für fünf (!) Jahre z.B. die Herausgabe einer Zeitschrift oder das Betreiben einer eigenen Website verbieten.

Zwar könnte die betroffene Organisation beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde einreichen. Die Beweislast soll aber nicht beim Staat, der das Verbot ausspricht, sondern bei den betroffenen Personen / Organisationen liegen. Sie müssten nachweisen, dass sie mit ihrer Tätigkeit die Sicherheit der Schweiz nicht gefährden, ohne dass ihnen dafür Einsicht in die über sie angelegten und zum Entscheid beigetragenen Akten gewährt wird.

Ein solches Vorgehen würde nach Ansicht der DJS bundesrätlicher Willkür Tür und Tor öffnen: Unschwer sich vorzustellen, dass je nach politischer Konjunktur und Einstellung des zuständigen Justizministers einseitig und häufig von einer solchen Verbotsklausel Gebrauch gemacht werden könnte.

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund rigoroser Sparmassnahmen bei Bund und Kantonen muss das Parlament die mit der Revision verbundene Aufstockung des DAP um ganze 40 Stellen unbedingt zurückweisen. Wenn schon neue Stellen, dann ist nach Ansicht der DJS zuerst einmal eine Stellenaufstockung beim Dienst des eidgenössischen Datenschutzbeauftragten dringend notwendig.


Bern, den 12. Oktober 2006

pdf BWIS II Stellungnahme der DJS