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Beschwerden gegen Ärztliche Fürsorgerische Unterbringungen sollen auch künftig durch Fachrichter*innen beurteilt werden

Beschwerden gegen Ärztliche Fürsorgerische Unterbringungen sollen auch künftig durch Fachrichter*innen beurteilt werden

Die Justizkommission des Grossen Rates des Kantons Bern beriet vor Kurzem die Änderung des Einführungsgesetzes zur Zivilprozessordnung, zur Strafprozessordnung und zur Jugendstrafprozessordnung (EG ZSJ). Mit Medienmitteilung vom 14. Mai 2025 gab die Justizkommission bekannt, dass sie das Einzelrichter*innenmodell bei Beschwerden gegen die ärztliche Anordnung einer fürsorgerischen Unterbringung befürwortet und eine entsprechende Gesetzesänderung im EG ZSJ begrüsst. Die Demokratischen Jurist*innen kritisierten diesen Vorschlag  bereits in unserer Vernehmlassungsantwort im November 2024.
 
Bundesgerichtliche Rechtsprechung als Mindeststandard
Als Hintergrund dieser Gesetzesänderung wird in der Medienmitteilung eine Änderung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung angeführt. Danach habe das Kindes- und Erwachsenenschutzgericht gestützt auf das Gutachten einer sachverständigen Person zu entscheiden, die vom Gericht unabhängig sein muss. Aufgrund dessen könne auf den Beizug von Fachrichter*innen verzichtet werden. Dieser Argumentation geht am Inhalt des besagten Bundesgerichtsentscheids vorbei. Das Bundesgericht hat darin gestützt auf die Rechtsprechung des EGMR einen Mindeststandard aufgestellt, nämlich den Beizug eines externen Gutachtens, und sich nicht zu einem darüber hinausgehenden Beizug von Fachrichter*innen geäussert.

Ohne Fachrichter*innen fehlt die notwendige Expertise
Entgegen der Meinung der Justizkommission vermag der durch die bundesgerichtliche Rechtsprechung nunmehr vorgeschriebene Beizug eines Gutachtens die Expertise von Fachrichter*innen aber nicht zu ersetzen. Die Praxis zeigt, dass in solchen Fällen häufig die Schlüssigkeit der medizinischen Gutachten und Berichte sowie die medizinische Notwendigkeit der angeordneten Unterbringungen und Behandlungen umstritten sind und nicht etwa die Rechtsanwendung. Ohne medizinisches Fachwissen können weder die Erforderlichkeit noch die Eignung der angeordneten Massnahmen überprüft werden und die gerichtliche Prüfung beschränkt sich auf die Verhältnismässigkeit i.e.S. Es ist zu befürchten, dass mit der vorgeschlagenen Änderung einmal ärztlich angeordnete Massnahmen später im Beschwerdeverfahren durch das Kindes- und Erwachsenenschutzgericht einfach «durchgewunken» werden, da es den Einzelrichter*innen am nötigen medizinischen und psychologischen Fachwissen fehlt, um die Schlüssigkeit medizinischer Berichte und Gutachten zu hinterfragen.
 
Effizienzüberlegungen müssen hinter dem Schutz der Betroffenen zurücktreten 
Die Justizkommission führt weiter an, die Änderung führe zu einer Effizienzsteigerung und Entlastung des Kindes- und Erwachsenenschutzgerichts.
 
Die Fälle der ärztlichen Anordnung einer fürsorgerischen Unterbringung und die übrigen neu vor Einzelgericht zu verhandelnden Fälle machen ca. 2/3 aller Fälle am Kindes- und Erwachsenenschutzgericht aus. Dass künftig eine Mehrheit dieser Fälle von einer einzelnen Person entschieden werden soll, ist stossend und widerspricht der klaren gesetzlichen Vorgabe im gleichen Gesetz, wonach die Urteile des Kindes- und Erwachsenenschutzgerichts in der Regel durch drei Richterinnen und Richter gefällt werden sollen (neu Art. 45b Abs. 1 GSOG).
 
Die von dieser Änderung betroffenen Personen sind aufgrund ihrer Disposition und den möglichen Folgen des Entscheids des Kindes- und Erwachsenenschutzgerichts besonders vulnerabel und damit auch besonders schützenswert. Praxisgemäss sind sie überdies selten anwaltschaftlich vertreten, weshalb sie eines erhöhten Schutzes bedürfen.
 
Aus Sicht der demokratischen Jurist*innen Bern wird am falschen Ort gespart, nämlich bei den vulnerabelsten Personen der Gesellschaft. Es ist unvertretbar, dass der Schutz dieser Personen vor schwerwiegenden Eingriffen in ihre persönliche Freiheit hinter Überlegungen der Effizienzsteigerung zurücktreten soll.
Wir kritisieren diese Gesetzesänderung und fordern den Grossen Rat auf, diese Gesetzesänderung abzulehnen.