Sozialhilfegesetzrevision des Kantons Bern: Appell an die Grossrätinnen und Grossräte
Das Sozialhilfegesetz des Kantons Bern wird momentan totalrevidiert. Nach Abschluss des Vernehmlassungsverfahrens hat der Regierungsrat den überarbeiteten Gesetzesentwurf im April 2025 dem Grossen Rat zur Beratung weitergeleitet. Bereits im Juni 2025 haben die djb zusammen mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen in einem offenen Brief vor der Revisionsvorlage des Regierungsrates, die das System von Solidarität, Würde und Inklusion untergräbt und neue Ungleichheiten schafft, gewarnt. Der Grosse Rat wurde aufgefordert, sich die konstruktive Kritik anzuhören und einen echten Dialog mit allen betroffenen Akteuren zu eröffnen, um ein Sozialhilfegesetz auszuarbeiten, das den aktuellen menschlichen und sozialen Herausforderungen gewachsen ist, die Rechte und die Würde aller Menschen respektiert und eine wirksame und nachhaltige Solidarität sicherstellt.
Die djb appellieren nun erneut gemeinsam mit zahlreichen weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen und Fachpersonen an die Grossrätinnen und Grossräte, vom Regierungsrat eine neue Revisionsvorlage zu fordern, die eine wirkungsvolle und nachhaltige Armutsbekämpfung ermöglicht – und nicht Armutsbetroffene bestraft. Damit dies gelingt, wird eine konkrete Anpassung des Gesetzesentwurfs gefordert, da die derzeitige Revisionsvorlage
- es erlaubt, auch die Hilfe für Kinder bis auf Nothilfe zu kürzen und damit übergeordnetes Recht (Bundesverfassung und UN-Kinderrechtskonvention) verletzt;
- die Anrechnung eines Vermögensverzichtes beinhaltet, der gegen die Bundesverfassung, die Rechtsprechung des Bundesgerichts und die Empfehlungen der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) verstösst;
- die individuelle Schuldfrage beim Zugang zur Sozialhilfe, die gemäss Bundesgericht rechtlich nicht haltbar ist, wieder einführt;
- variable Sozialhilfe für ausländische Personen vorsieht;
- unverhältnismässige Kontroll- und Rückerstattungsmechanismen vorsieht, die nicht mit den Prinzipien einer modernen Armutsbekämpfung vereinbar sind;
- übermässig in den Datenschutz armutsbetroffener Personen eingreift;
- Rückerstattungspflichten von Dritten vorsieht, die mit übergeordnetem Recht nicht vereinbar sind;
- ein unhaltbares Selbstbehalt-Modell vorsieht, das die Gemeindeautonomie gefährdet.
Im schweizweiten Vergleich ist die Berner Sozialhilfegesetzgebung in der geltenden Fassung bereits eine der restriktivsten. Nichtsdestotrotz sieht der Gesetzesentwurf des Regierungsrates weitere unhaltbare Verschärfungen der Situation von armutsbetroffenen Menschen vor, hin zu mehr Kontrolle und restriktiveren Voraussetzungen für die Ausrichtung existenzsichernder Hilfe. Zahlreiche Bestimmungen sind dabei mit übergeordnetem Recht nicht vereinbar.
Wir appellieren deshalb an die Grossrätinnen und Grossäte, die Vorlage an den Regierungsrat zurückzuweisen mit dem Auftrag, ein grund- und menschenrechtskonformes Sozialhilfegesetz auszuarbeiten, das Armut wirksam bekämpft, statt sie zu verschärfen.
Wir appellieren deshalb an die Grossrätinnen und Grossäte, die Vorlage an den Regierungsrat zurückzuweisen mit dem Auftrag, ein grund- und menschenrechtskonformes Sozialhilfegesetz auszuarbeiten, das Armut wirksam bekämpft, statt sie zu verschärfen.