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Stellungnahme zum Entwurf der Verordnung über die Sozialhilfe im Asyl und Flüchtlingsbereich (SAFV)

Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion
Rathausgasse 1, Postfach
3000 Bern

Bern, 21. Februar 2020

Stellungnahme zum Entwurf der Verordnung über die Sozialhilfe im Asyl und Flüchtlingsbereich (SAFV)

Sehr geehrter Herr Regierungsrat,
Sehr geehrte Damen und Herren

Die Demokratischen Jurist*innen Bern (djb) bedanken sich für die Möglichkeit, im Rahmen der Konsultation zum Entwurf der SAFV Stellung nehmen zu können. Die djb machen davon gerne Gebrauch.

Die Probleme, die wir bereits in der Vernehmlassung zum SAFG angesprochen haben, sind im vorliegenden Entwurf erneut präsent. Es findet eine primäre Fokussierung auf Kosteneffizienz statt. Diese droht die übrigen Anliegen und namentlich die Integration von Personen im Asyl- und Flüchtlingsbereich auszublenden und diese Ziele letztlich zu vereiteln. Sodann wird die Integration auf die Teilnahme am Arbeitsmarkt beschränkt und die Umsetzung der Losung «Fördern und Fordern» bleibt auf das Fordern beschränkt, während Förderung zu kurz kommt. Dies zeigt sich etwa in der unzureichenden Berücksichtigung individueller Umstände und Bedürfnisse. An zahlreichen Stellen im Verordnungsentwurf wurde versäumt, sicherzustellen, dass über Ausnahmeregelungen den spezifischen Einzelfallumständen Rechnung getragen werden kann. Dies läuft dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz zuwider und droht weitere verfassungs- und völkerrechtliche Vorgabe zu missachten wie beispielsweise den Schutz des Kindeswohls (Art. 3 KRK). Die Überbetonung des Forderns kommt ferner in den unverhältnismässig hohen Hürden zum Ausdruck, die für den Wechsel in eine Individualunterkunft überwunden werden müssen.

Besonders stossend sind die Kürzungen für vorläufig aufgenommene Personen (Art. 8 E-SHV). Diese sind unhaltbar und auf die entsprechende Änderung ist zwingend zu verzichten. Gemäss Sozialhilfegesetz muss die wirtschaftliche Hilfe nicht nur den Lebensunterhalt sicherstellen, sondern auch eine angemessene Teilhabe am sozialen Leben ermöglichen.
Während bereits ein hinreichender Lebensunterhalt mit der massiven Kürzung fraglich ist, ist eine angemessene soziale Integration gänzlich ausgeschlossen. Die SHV-Anpassung verstossen damit gegen die gesetzlichen Vorgaben. Es ist zynisch, diese Kürzung als Signal zu verstehen, dass Integration und Ablösung von der Sozialhilfe erwartet werde. Sozialhilfe führt nicht zu Wohlstand, sondern sichert das Überleben und die elementare gesellschaftliche Teilhabe. Es bestehen bereits hinreichend Anreize, sich daraus zu lösen. Die Annahme, vorläufig aufgenommenen Personen müsse die Unterstützung um 60% gekürzt werden, um sie zur Integration zu bewegen, transportiert ein rassistisches, menschenverachtendes Bild dieser Personen. Zudem ignoriert diese Annahme die Tatsache, dass Menschen in aller Re-
gel nicht selbstverschuldet, willentlich und freiwillig nach sieben Jahren weiterhin von staatlichen Leistungen abhängig sind und sich der damit einhergehenden Kontrolle unterstellen.

Eine auch nur ansatzweise verhältnismässige sachliche Rechtfertigung, die für die nunmehr vorgesehene Ungleichbehandlung vorläufig Aufgenommener Personen vorgeschlagen wird, fehlt damit. Folglich vertösst der Verordnungsentwurf in dieser Hinsicht gegen das Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8 Abs. 1 BV). Hinzu kommt, dass die Stimmbevölkerung vor weniger als einem Jahr eine viel moderartere Kürzung abgelehnt hat. Das Vorgehen, auf dem Ver-
ordnungsweg eine massive Kürzung nun doch noch durchzusetzen, bricht nicht nur mit der demokratischen Gepflogenheit, sondern stellt in dieser Art eine Umgehung der ordentlichen Gesetzgebung und damit eine Verstoss gegen das Gewaltenteilungsprinzip dar.

Unverhältnismässig und unnötig erweist sich sodann die Umschreibung der «offensichtlich nicht integrierten vorläufig Aufgenommenen» (Art. 3 E-SAFV). Der Verordnungsentwurf verschärft die bestehende Regelung in massiver und unnötiger Weise, verlangt keine Kausalität zwischen persönlichem Verhalten und Nichterreichen der Integrationsziele sowie Weiterbestand der Bedürftigkeit. Zudem wurde versäumt, hinreichende Ausnahmebestimmungen und Ermessensspielräume vorzusehen. Auch hier sind Anpassungen zwingend vorzunehmen, um unverhältnismässige Rechtsanwendungen zu vermeiden.

Im Weiteren verweisen wir auf die Anmerkungen in der beiliegenden Antworttabelle.

Wir bedanken uns für die Berücksichtigung unserer Anliegen und stehen für allfällige Rückfragen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen

Moritz Lange, Geschäftsleiter
Demokratische Jurist*innen Bern (djb)

Den Begleitbrief der Stellungnahme finden Sie hier als pdf. Die vollständige Vernehmlassungsantwort ist auf Anfrage erhältlich.